Mario & Luigi: Brothership (Test) – Brüderlicher Spaß mit Mittelmaß

von Johannes Hausmair 13.11.2024

Mario & Luigi: Brothership ist nach einem Jahrzehnt ein lange ersehntes neues Kapitel der Mario-&-Luigi-RPG-Reihe, in dem das geliebte Brüderduo ein Abenteuer auf hoher See erwartet. Es bleibt abzuwarten, ob dieses neue Abenteuer die Serie nach so langer Zeit würdig fortsetzt.

Mario & Luigi: Brothership – Die Rückkehr der Brüder

Mario & Luigi: Brothership markiert die triumphale Rückkehr der beliebten Rollenspiel-Reihe, die fast ein Jahrzehnt pausierte. Ursprünglich von AlphaDream entwickelt, startete die Serie 2003 mit Mario & Luigi: Superstar Saga auf dem Game Boy Advance und etablierte sich schnell als fester Bestandteil des Mario-Universums. Nach der Insolvenz von AlphaDream im Jahr 2019 war nicht klar, ob es jemals wieder ein solches Abenteuer für die Klempnerbrüder geben würde. Viele der ursprünglichen Entwickler:innen wechselten zu Studio Acquire, bekannt für Titel wie Octopath Traveler, und so nahmen sie die Entwicklung eines neuen Serienablegers auf.

Mario & Luigi

Mario und Luigi wieder vereint

Brüderlicher Level-Up

Im Gegensatz zu Marios traditionellen Jump-’n‘-Run-Abenteuern zeichnet sich die Mario & Luigi-Reihe durch ihren Rollenspiel-Charakter aus, der eine tiefgründigere Geschichte und witzige Szenen umfasst. Während der typische Humor und Charme der Serie beibehalten werden, bringt das Spiel interessante Ideen in die rundenbasierten Kämpfe ein, darunter akrobatische Sequenzen sowie ein einzigartiges Steuerungssystem, bei dem beide Brüder simultan kontrolliert werden. Diese Mechaniken erfordern präzises Timing und strategisches Denken und heben die Serie von anderen Mario-Spielen und Genrevertretern ab.

Mario & Luigi: Brothership

Marios akrobatischen Angriffe

Schiff ahoi!

In Brothership werden Mario und Luigi plötzlich in die Welt von Konektania gezogen, ein zersplittertes Land welches in alle Meeresrichtungen verstreut ist. Ihre Mission besteht darin, herauszufinden warum sie in dieser unbekannten Welt gelandet sind, die vielen Driftinseln wieder zu verbinden und der Ursache für die Katastrophe auf den Grund zu gehen. Denn die Zerstörung des Konektarbor-Baums, der das Land zusammenhielt, war kein natürliches Ereignis. Ein mysteriöser und vergesslicher Bösewicht namens Stekdov und seine Anhängerschaft die Ausfall-Brigade, stecken mit den Vorfällen in Verbindung. Um diesen und vielen weiteren Fieslingen den Garaus zu machen, werden die bärtigen Brüder von neuen Figuren des einheimischen Volkes unterstützt, darunter Connetta und Wattz, die uns langsam in die spannende Welt einführen. In Konektania dreht sich alles um Energie und Verbindungen – so sind die Einheimischen, Steckdosen und Kabeln nachempfunden. Mit den neuen Begleitern segelt die Brüder mit der Schiffs-Insel „Kapitabora“ auf den unzähligen Meeresströmungen auf der Suche nach den zerstreuten Landen. Mit der Zeit entsteht eine Flotte aus verschiedensten Inseln und sobald sie angebunden sind kann man beliebig oft hin und her reisen. Im laufe des Abenteuers trifft das Brüdergespann auch auf bekannte Charaktäre aus dem Pilzkönigreich wie Peach und Glitzerstern. Sogar Bowser und seine Schergen haben ihre Auftritte und versuchen in der unbekannten Welt mitzumischen.

Die Geschichte ist viel länger als erwartet und braucht schon ein paar Stunden um in Fahrt zu kommen. Die unspannednen Handlung, langweiligen Gespräche und an die Hand nehmenden Erklärungen sind viel zu langwierig, selbst wenn man sie beschleunigt und überfliegt. Manchmal ist es nur lustig, dem italienisch Kauderwelsch der Brüder zuzuhören. Ein kleines Highlight sind die Dialoge mit dem leider vergesslichen Oberbösewicht Stekdov, der effizient orientiert arbeitet und mit Namen gar nichts anfangen kann. So nennt er unsere Brüder regelmäßig bei falschen Namen, Marius & Lügi oder Marco und Luisa, und vergisst auch die Namen seiner treuen Helferlein, so wird aus Klinka plötzlich Stinka und aus der Ausfall die Abfall-Brigade. Manchmal ist die Dynamik zwischen den Charakteren gut unterhaltsam, sei es der Umgang der verschiedenen Persönlichkeiten der Brigade-Mitglieder, Drahtus, Klinka und Stekko, die Seitenhiebe von Wattz oder wenn Aussagen wie „Nasenhaar-Züchter“ fallen. Dieser Slapstick-Humor zaubert euch selten aber doch einen guten Schmunzler aufs Gesicht. Genauso wie Animationen und Ereignisse, wenn Luigi zum wiederholten Mal seine Ungeschicklichkeit beweist, inmitten eines wichtigen Gesprächs einschläft oder eine seiner Luigideen tollpatschig in die Tat umsetzt.

Mario & Luigi: Brothership

Kapitbora setzt die Segel

Luigidee

Wie der Name schon verrät, hat Luigi von Zeit zu Zeit geniale Geistesblitze. Immerhin heißt das Spiel „Mario und Luigi“, und somit steht auch der tollpatschige Bruder im Rampenlicht. Auch wenn man beide Brüder steuert so ist beim Erkunden eher Mario der Tonangebende. Doch nun kann man per Knopfdruck Luigi kleine Aufgaben zuweisen, wie Blöcke zu zerstören oder Münzen einzusammeln. Luigideen kommen auch zum Einsatz wenn scheinbar unüberwindbare Hindernisse oder knifflige Rätsel auf dem Weg liegen. Dann lässt sich Luigi sogennate Brüderaktionen einfallen, effiziente Lösungen bei denen er mit Mario akrobatische Aktionen ausführt.

Mario & Luigi

Luigi hat eine Idee

Kabelsalat und Klempnerkunst

Akrobatisch geht es auch im rundenbasierten Kampf gegen die unzähligen Tunichtgute zu. Jeder Bruder wird über einen eigenen Knopf gesteuert: Mario mit A und X, Luigi mit B und Y. Wie üblich machen die Brüder Gebrauch von ihren geübten Sprungangriffen, handwerklichen Hammerattacken und geschickten Kontern. Sind beide Brüder bei Bewusstsein, lassen sich coole Kombi-Attacken einsetzten; stehen sie jedoch allein, wird nur einmal zugeschlagen. Um maximalen Schaden zu verursachen, erfordern alle Angriffe das richtige Timing. Besonders wichtig sind dabei die kreativen Paar-Attacken, die erheblichen Schaden anrichten. Ganz so leicht ist das allerdings nicht – nur mit präzisem Teamwork und etwas Übung gelingt diese atemberaubende Attacken-Akrobatik. Neben bekannten Moves wie dem Roten & Grünen Panzer und Bombenderby lernen die Brüder auch neue Manöver, darunter Donnerdynamo und Kloppuhr. Neu eingeführt werden die Effektstecker, die den Bros zusätzliche offensive und defensive Fähigkeiten verleihen. Diese temporären Verbesserungen lassen sich kombinieren, um verschiedene Vorteile zu erzielen, was dem Kampfsystem zusätzliche strategische Tiefe verleiht.

Ich muss schon sagen, dass diese reaktiven und vielseitigen Kämpfe auch noch nach 30 Stunden Spaß machen. Nicht nur, dass man immer aufmerksam sein muss um den höchsten Schaden zu erzielen, sondern auch die stetige Abwechslung in der Gegnervariation hält die Spannung aufrecht. In den verschiedenen Gebieten trifft man auf heimische Lebewesen, die feindliche Fraktion der Stecksel-Gegener und Bowsers Schergen. Das einzig Negative was ich über das Kampfsystem sagen kann ist, dass es in den ersten paar Stunden relativ eintönig ist, da viele der Funktionen erst mit dem Story-Fortschritt freigeschalten werden. Andererseits wird man langsam an alle Funktionen herangeführt, was es perfekt für Einsteiger macht. Scheitert man öfter am selben Gegner, wird optional angeboten, den Schwierigkeitsgrad für diesen Kampf zu senken. Übung macht den Meister – selbst ich bin öfter „Game Over“ gegangen, als ich auf neue Fieslinge und ihre flinken Angriffe gestoßen bin. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich oft unterlevelt war, da ich den Gegnern geschickt ausgewichen bin, und keine lust auf den sehr starken Grind hatte, sodass es gar nicht zum Kampf kommt. Trotzdem hatte ich stets ein gutes Level und konnte mit etwas Geschick auch stärkeren Gegnern zeigen, wo es langgeht. Wer sich richtig anspruchsvolle Herausforderungen wünscht, darf sich auf die Boss-Kämpfe freuen. Es warten lustige Monster mit ausgeklügelten Angriffen, die mich mehr als nur einmal in die Knie gezwungen haben. Das Gefühl, einen Bösewicht mit exzellenten Angriffen, perfekten Kontern und genialen Taktiken zu bezwingen, ist absolut stark.

Die Brüder im Kampf

Brüder auf Verbindungskurs

Mithilfe der Seekarte navigieren die Brüder entlang vorgegeben Meeresströmungen und halten nach zerstreuten Landmassen Ausschau. Sobald eine unentdeckte Inseln auftaucht, werden die Brüder per Express-Kanonenschuss zum Ziel befördert. Nach einer mehr oder weniger sicheren Landung gilt es, die dortigen Probleme zu lösen und den Leuchtturm ausfindig zu machen, um ihn mit Kapitabora zu verbinden. Erkundet regnerische Dschungel, heißkalte kulinarische Dörfer, tanzbegeisterte sowie künstlerische Siedlungen und mysteriöse Oasen. Von Heldentum, über Detektivarbeit bis hin zu Hochzeitsplanern kommen heiter und fröhlich inszenierte Situationen auf das Brüder-Duo zu. Neben der Hauptgeschichte gibt es von manchen Bewohnern langezogene, lästige Nebenaufgaben, die meist mit lächerlichen Belohnungen vergütet werden. Viel häufiger findet man bessere Items und Ausrüstunggegenstände, wenn man einfach die Inseln erkundet. Haltet Ausschau nach unsichtbaren Blöcken, verwinkelten Pfaden und Konektarblüten. Sobald eine Insel verbunden wurde, können neue Wege erkundet und Materialien für Upgrades gesammelt werden. Allerdings leidet der Spielfluss etwas unter der Rückkehr in bereits bekannte Gebiete, da die Spielzeit durch wenige Veränderungen in diesen gestreckt wird.

Durch die Trailer hatte ich anfangs angenommen, dass die Erkundung zu Wasser wie in The Legend of Zelda: The Wind Wakeroder oder Phantom Hourglass abläuft, doch leider schippern wir hier nicht frei auf dem weiten Ozean umher. Meiner Meinung nach wird hier viel Potenzial verschenkt. Zwar gibt es kleinere Inseln mit Puzzles aber die bieten keine tollen Aufgaben. Bei einem ähnlichen Ansatz wie in den Zelda-Titeln, wäre vielleicht Raum für Meeres-Schlachten oder Kämpfe gegen Haie und Seeungeheuer entstanden. Die Seefahrt, die eher schienenartig in einem Menü abläuft, bringt wenig Spannung in den Mix, und vor allem lange Wartezeiten ohne großen Nervenkitzel.

Ein tiefergehendes Herstellungssystem wäre ebenfalls wünschenswert gewesen, um bestimmte Effekte der vielen Ausrüstungen auf stärkere Gegenstände zu übertragen. Oft bin ich mit schwächerer Kleidung losgezogen, weil der Effekt stärkerer Items sich als weniger vorteilhaft erwies. Es können einige wenige Gegenstände hergestellt werden, doch das sind festgeschriebene Items. So sammeln sich die übrigen Materialien nur an und dienen hauptsächlich zum Verkauf. Leider wirkt sich die Ausrüstung auch nur auf die Statistiken aus, ohne sichtbare Veränderungen im Kampf. Das originelle Aussehen der Mario Bros. bleibt erhalten, doch ein paar lebendigere Farbmuster oder Kostüme wären im Laufe des Abenteuers eine nette Abwechslung gewesen.

Mario & Luigi: Brothership

Die Brüder auf Erkundungstour

Gänzliche Pracht trotz mangelnder Kraft

Optisch hebt sich das Spiel deutlich von seinen Vorgängern ab: Der Sprung von Handheld-Konsolen auf die Nintendo Switch stellt einen großen grafischen Artstyle wechsel dar. Diese Entwicklung verleiht den Umgebungen und Animationen ein neues Aussehen, ein cartoonähnlicher Stil der die farbenfrohe und lebendige Welt von Konektania zum Leben erweckt. Die Umgebungen sind liebevoll gestaltet und lassen die verschiedenen Insel-Settings erstrahlen. Unsere Hauptfiguren sind detailreich animiert, und besonders in den Kämpfen erreichen die Animationen ein beeindruckendes Niveau, ähnlich den epischen Sequenzen aus den Mario Strikers-Spielen. Die seltenen humorvollen Momente und packenden Gefechte werden zudem von wunderbaren Melodien untermalt – insbesondere die Kampfmusik und Bossmusik sowie der Insel Auswahl Track sind sehr energetisch.

Kevin Afghani tritt diesmal wesentlich stärker als neuer Sprecher der Mario-Brüder in Erscheinung, besonders im Vergleich zu Super Mario Bros. Wonder. Auch wenn ich Charles Martinet weiterhin vermisse, macht der neue Sprecher einen hervorragenden Job, und die Unterschiede sind kaum hörbar. Viele Nintendo-Fans reagierten mit gemischten Gefühlen auf die Ankündigung und den Grafikstil von Brothership, aber meiner Meinung nach bringt der Mix einen einzigartigen Charme ins Mario-Universum. Was jedoch bemängelt werden kann, ist die technische Leistung: In aufwändigen Szenen merkt man deutlich die Leistungsgrenzen, und es wird langsam Zeit für den Nachfolger der Nintendo Switch.

Brüderlicher Spaß mit Mittelmaß

Insgesamt baut Brothership auf dem tollen Fundament der Serie auf und versucht mit frischen Ideen ein Comeback der RPG-Reihe zu erzielen. Gelungen ist das nur so halb: Positiv hervorzuheben sind die krawallvollen Kämpfe, die – anders als in Pokémon – mit hochwertigen Animationen verfeinert sind und die allgemeine charmante Präsentation. Leider schwächelt die Geschichte extrem, bietet keine interessanten Figuren und ist unnötig in die Länge gezogen. Dazu wird die Motivation durch gelegentliches Backtracking, die langwierigen Gespräche sowie die langweilige Seefahrts-Mechanik stark vermindert.

 

Wertung: 6 Pixel

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