Dispatch Test (PS5): Großes Superhelden-Kino im Episoden-Stil
Dispatch packt ein packendes Abenteuer rund um Superhelden in ein tolles Format – acht Episoden zu jeweils 45 bis 60 Minuten. Lest unseren Test!
Über Dispatch
Von den Machern der legendären Telltale-Klassiker The Wolf Among Us und Tales from the Borderlands kommt ein Spiel, das sich anders anfühlt als alles, was ihr in diesem Jahr gespielt habt. Dispatch ist eine Superhelden-Büro-Comedy im modernen Los Angeles, die den Spagat zwischen ernsthafter Erzählkunst und einer ordentlichen Portion Humor meistert. Das von AdHoc Studio entwickelte Abenteuer erschien zwischen Oktober und November 2025 episodisch für PlayStation 5 und PC (Steam) und hat innerhalb des ersten Monats über zwei Millionen Exemplare verkauft. Der Erfolg gibt dem Team Recht! Ihr schlüpft in die Rolle von Robert Robertson, auch bekannt als Mecha-Man, dessen Mech-Anzug im Kampf gegen seinen Erzfeind zerstört wird. Dadurch ist er gezwungen, einen neuen Job in der Superhelden-Einsatzzentrale zu übernehmen – nicht etwa als strahlender Held, sondern als Disponent am Schreibtisch.
Das klingt erstmal unspektakulär, aber genau darin liegt die Stärke dieses Titels. Das Studio AdHoc, gegründet 2018 von ehemaligen Telltale-Mitarbeitern wie Nick Herman und Dennis Lenart, hat sich zum Ziel gesetzt, „die Fackel der interaktiven Erzählungen in die Zukunft zu tragen“. Der Hersteller ist besonders stolz auf die einzigartige Mischung aus narrativer Tiefe und strategischem Gameplay. Mit einer hochkarätigen Besetzung darunter Aaron Paul (Breaking Bad), Laura Bailey (The Last of Us Part II und Critical Role), Jeffrey Wright (The Batman) und Matthew Mercer (Critical Role) wurde hier ordentlich in die Sprachausgabe investiert. Dispatch positioniert sich als das erste große Projekt des Studios und möchte beweisen, dass narrative Abenteuer à la Telltale nicht tot sind – im Gegenteil, sie wurden hier neu erfunden. Die Cliffhanger zum Ende der einzelnen Episoden wirken Wunder, aber dazu später mehr.
Superheld, bitte kommen
Nach dem Starten des Spiels startet ihr direkt in Episode 1 mit dem Titel „Pivot“. Die erste Episode nimmt etwa 45 Minuten in Anspruch – perfekt portioniert wie eine TV-Serie. Und genau so fühlt sich Dispatch auch an: wie eine interaktive Show, bei der ihr die Kontrolle über die wichtigen Entscheidungen habt. Dabei könnt ihr übrigens die Quick Time Events, wo ihr Tastendrucke vornehmen müsst, auch komplett abschalten, das verstärkt das TV-Feeling noch weiter. Die Einführung erfolgt durch ein kurzes, aber effektives Tutorial. Ihr seht Robert Robertson, wie er in seiner Mecha-Rüstung gegen seinen Erzfeind kämpft – und prompt zerstört wird. Diese Eröffnungssequenz zeigt gleich die Stärken des Spiels: die herausragende Animation im Stil eines modernen Comic-Films, die an The Legend of Vox Machina erinnert.
Der Zeichenstil ist vibrant, ausdrucksstark und lenkt nie von der Handlung ab. Nach dieser actiongeladenen Sequenz folgt der Sprung ins Büro der Superhero Dispatch Network (SDN), wo ihr fortan euren Dienst verrichtet. Die Steuerung ist dabei denkbar einfach gehalten: Mit dem linken Stick oder dem Steuerkreuz navigiert ihr durch Dialogoptionen, mit X bestätigt ihr eure Auswahl. Das Spiel erklärt alle Mechaniken Schritt für Schritt, ohne dabei belehrend zu wirken. Innerhalb der ersten zehn Minuten versteht jeder die Grundlagen: Dialoge wählen, Beziehungen pflegen, Helden auf Missionen schicken. Die Barrierefreiheit ist vorbildlich umgesetzt – Untertitel lassen sich in Größe und Deckkraft anpassen, Spielernamen können ein- oder ausgeblendet werden, und selbst das haptische Feedback könnt ihr konfigurieren.
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Nur die Übersicht bewahren
Das Herzstück von Dispatch ist die Einsatzzentrale, in der ihr eure Schicht vor dem Monitor verbringt. Hier wird die Mischung aus narrativem Adventure und Strategie-Management greifbar. Auf einer Karte von Los Angeles tauchen regelmäßig Notfälle auf – Überfälle, Brände, Monsterangriffe –, und ihr müsst entscheiden, welcher eurer ehemaligen Superschurken die Situation am besten meistern kann. Das Team, das ihr verwaltet, ist herrlich bunt gemischt: Invisigal, Flambae, Coop, Sonar und weitere Charaktere mit Eigenheiten, Macken und persönlichen Altlasten bringen Leben in die Büroatmosphäre. Jeder Held verfügt über fünf Hauptattribute: Combat (Kampfkraft), Vigor (Ausdauer), Mobility (Beweglichkeit), Charisma und Intellect. Diese Werte werden als Radar-Diagramm angezeigt und helfen euch, die richtige Besetzung für jeden Einsatz zu wählen. Bei jedem Notruf bekommt ihr eine kurze Beschreibung und müsst dann einschätzen, welche Stats gefragt sind. Ein Banküberfall könnte hohe Combat-Werte erfordern, während eine Geiselnahme eher Charisma verlangt. Schickt ihr ungeeignete Helden, kann die Mission scheitern – aber das Spiel geht weiter, und Konsequenzen wirken sich auf eure Beziehungen aus.
Diese „Fail-Forward“-Philosophie sorgt dafür, dass kein Game Over den Spielfluss unterbricht. Stattdessen müsst ihr mit den Folgen eurer Fehlentscheidungen leben, was die emotionale Bindung an die Geschichte verstärkt. Zwischen den Einsätzen gibt es Pausen in der Kaffeeküche, am Kopierer oder im Pausenraum. Diese Momente sind alles andere als Füllmaterial – hier entwickeln sich Beziehungen, entstehen Romanzen, und ihr lernt die Charaktere wirklich kennen. Das Spiel gibt euch die Wahl, wie tief ihr in diese persönlichen Geschichten eintauchen wollt. Wollt ihr mit dem außerirdischen Phenomaman essen gehen? Lieber ins Kino oder doch ein gemütliches Dinner, und mit wem? Jede Entscheidung hat Auswirkungen auf die Loyalität eurer Teammitglieder und damit auf den weiteren Verlauf der Geschichte. Die Balance zwischen Strategie und Story ist hervorragend gelungen. Während die Dispatcher-Missionen und auch das manchmal vorkommende Hacking-Minispiel für den nötigen Spielspaß sorgen, sind es die zwischenmenschlichen Momente, die Dispatch zu etwas Besonderem machen. Die Dialoge sind clever geschrieben, oft herrlich unanständig und immer authentisch. Hier menschelt es bei den Superhelden.
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Was macht Dispatch aus?
Die einzelnen Charaktere sind hier ganz klar das Herzstück von Dispatch. Ob Blonde Blazer, Chase oder euer Team, das sich mit euren Entscheidungen verändert: Jede der acht Episoden bringt neue Facetten der Z-Team-Mitglieder zum Vorschein. Bis zum Finale fühlt ihr euch fast allen Charakteren verbunden, weil das Spiel genug Zeit für ihre Entwicklung lässt. Besonders beeindruckend ist, wie authentisch die ehemaligen Superschurken als Menschen mit zweiter Chance dargestellt werden. Die visuelle Präsentation verdient ebenfalls höchstes Lob. Ihre Animation erreicht ein Niveau, das sonst großen Streaming-Produktionen vorbehalten ist. Der Comic-Stil mit seiner lebendigen Farbpalette und den ausdrucksstarken Charaktermodellen zieht einen sofort in seinen Bann. Dazu kommt ein exzellenter Soundtrack, der die Stimmung perfekt einfängt – von entspannten Büro-Momenten bis zu spannungsgeladenen Action-Sequenzen. Die Hacking-Minispiele bieten eine willkommene Abwechslung. Hier müsst ihr Pfade durch digitale Netzwerke navigieren und Quick-Time-Events meistern. Diese Sequenzen sind thematisch sinnvoll in die Story eingebunden und fühlen sich nie aufgesetzt an. Sie sind simpel genug, um nicht zu frustrieren, aber herausfordernd genug, um Spannung zu erzeugen.
Nicht zuletzt ist die Rollenspiel-Mechanik hervorzuheben. Eure Entscheidungen beeinflussen tatsächlich, wie sich die Geschichte entwickelt. Zwar gibt es ein lineares Grundgerüst, aber innerhalb dieses Rahmens gibt es genügend Variationen, um mehrfaches Durchspielen lohnenswert zu machen. Das Beziehungssystem ist unsichtbar im Hintergrund aktiv und trackt, wie eure Teammitglieder auf eure Handlungen reagieren. Trotz all seiner Stärken hat Dispatch auch kleinere Schwächen, die erwähnt werden sollten. Die Benutzeroberfläche des Dispatcher-Bildschirms ist eindeutig für Maus und Tastatur optimiert. Mit dem DualSense-Controller kann die Navigation auf der Karte besonders in späteren Episoden, wenn viele Notfälle gleichzeitig auftauchen, etwas fummelig werden. Hier wäre eine bessere Anpassung an die Controller-Steuerung wünschenswert gewesen. Die Quick-Time-Events in den Action-Sequenzen sind größtenteils optional. Ob ihr sie schafft oder nicht, hat kaum Auswirkungen auf die Story – ihr bekommt lediglich unterschiedliche Szenen zu sehen. Das ist einerseits schön, weil niemand frustriert wird, andererseits nimmt es den QTEs etwas von ihrer Bedeutung. Das Spiel bietet sogar einen „Cinematic Mode“, der QTEs komplett abschaltet, sodass ihr das Abenteuer wie eine Serie genießen könnt.
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Über die Technik
Grafisch setzt Dispatch auf einen stilisierten Comic-Look, der zwischen 2D-animierten Zwischensequenzen und interaktiven 3D-Umgebungen wechselt. Die Bildrate bleibt auf der PS5 konstant bei 60 FPS, auch in hektischen Momenten. Die Auflösung ist gestochen scharf, und die Farbpalette ist lebendig ohne übersättigt zu wirken. Der visuelle Stil erinnert an The Legend of Vox Machina sowie Spider-Man: Into the Spider-Verse und verleiht dem Spiel eine einzigartige Identität. Der Soundtrack wurde von einem talentierten Komponistenteam erschaffen und bietet eine Mischung aus orchestralen Klängen und modernen elektronischen Beats. Besonders die Musik während der Dispatcher-Sequenzen schafft eine angenehme Büro-Atmosphäre mit einem Hauch von Dringlichkeit. Die Soundeffekte sind präzise und tragen zur Immersion bei – vom Summen der Computer bis zum Rascheln von Papieren. Die Sprachausgabe ist das absolute Highlight auf technischer Ebene. Aaron Paul, Laura Bailey, Jeffrey Wright und der gesamte Cast liefern Performances ab, die man sonst nur aus Hollywood-Produktionen kennt. Die emotionale Bandbreite, die hier abgedeckt wird – von komödiantischen Momenten bis zu herzzerreißenden Szenen – ist beeindruckend. Selbst die kleineren Rollen sind mit Persönlichkeit gefüllt.
Die Steuerung ist simpel und intuitiv. Mit dem linken Analog-Stick navigiert ihr durch Menüs und Dialogoptionen, mit X bestätigt ihr eure Wahl, mit Kreis könnt ihr zurück. Die Dispatcher-Karte steuert ihr ebenfalls mit dem linken Stick, während die Schultertasten zum schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Ansichten dienen. Die Touchpad-Taste des DualSense wird für das Pausenmenü verwendet. Besonders erwähnenswert ist der Einsatz der DualSense-Features. Das haptische Feedback vibriert sanft, wenn Benachrichtigungen auf eurem virtuellen Bildschirm eintreffen, und die adaptiven Trigger bieten leichten Widerstand bei wichtigen Entscheidungen. Diese Funktionen sind subtil eingesetzt und lenken nie vom Spielgeschehen ab, verstärken aber die Immersion spürbar. Wer möchte, kann diese Features in den Einstellungen individuell anpassen oder komplett deaktivieren. Die Performance auf der PlayStation 5 ist tadellos. Das Spiel läuft flüssig ohne Ruckler oder Framedrops, die Ladezeiten sind minimal, und wir haben während unseres gesamten Testdurchlaufs (drei komplette Durchgänge aller acht Episoden mit unterschiedlichen Enden, ist ja klar) keinen einzigen technischen Fehler oder Absturz erlebt. Das Spiel benötigt insgesamt etwa 23 GB Speicherplatz auf der SSD.
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Das Fazit: Unbedingt spielen!
Dispatch ist das beste Superhelden-Spiel des Jahres, und das, obwohl ihr hier selbst kaum an der Front operiert. AdHoc Studio hat mit ihrem Debüt bewiesen, dass narrative Adventures à la Telltale nicht nur lebendig sind, sondern florieren können, wenn sie mit Leidenschaft und Innovationsgeist umgesetzt werden. Diese Mischung aus scharfer Comedy, emotionaler Tiefe und strategischem Gameplay funktioniert hervorragend und bietet ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. Dessen größten Stärken liegen in der herausragenden Charakterentwicklung, der brillanten Sprachausgabe und dem gelungenen episodischen Format. Die Geschichte um Robert Robertson und seine dysfunktionale Superhelden-Truppe ist gleichzeitig lustig, berührend und spannend. Dazu kommt die Dispatcher-Mechanik, die über alle acht Episoden hinweg frisch bleibt, weil das Spiel ständig neue Variationen und Herausforderungen einführt.
Die kleineren Schwächen – die etwas fummelige Controller-Navigation auf der Dispatcher-Karte und die bedeutungslosen QTEs – fallen kaum ins Gewicht. Mit einem Preis von 34,99 Euro für alle acht Episoden bzw. 44,99 Euro für die Deluxe Edition mit digitalem Artbook und vier Comics bietet Dispatch ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Spielzeit für einen Durchlauf (etwa 6-8 Stunden) rechtfertigt den Preis absolut, zumal das Spiel durch verschiedene Entscheidungspfade Wiederspielwert bietet. Dispatch bekommt von uns eine klare Empfehlung. Fans von narrativen Abenteuern, Telltale-Spielen und Superhelden-Geschichten sollten hier bedenkenlos zugreifen. Aber auch Neulinge im Genre werden hier Gefallen finden, denn das Spiel ist zugänglich, warmherzig und bietet genug Humor, um jeden abzuholen. Die Nominierung für „Best Debut Indie Game“ bei den Game Awards 2025 ist mehr als verdient.