The Pathless im Test – Rasant und gut

von David Kolb-Zgaga 17.11.2020

Mit Bogenschützin und Adler durch The Pathless rauschen. Studio Giant Squid hat nach Abzû ein weiteres großartiges Werk geschaffen.

Nomen est Omen

Als mysteriöse Jägerin finde ich mich auf einer Insel wieder, die vom Verderben heimgesucht wird. Mit ihr und einem Adler an ihrer Seite durchstreife ich die weitläufige Insel und versuche den „Gottesmörder“ aufzuhalten, der alles in die Dunkelheit zieht. Über mir und jeder Zeit sichtbar schwebt eine brennende Insel aus Feuer, die seine Festung geworden ist. Das Böse ist also immer sichtbar und steht in krassem Kontrast mit der eigentlich friedlichen offenen Welt aus Wäldern, die mit Türmen, Brücken und Palästen besiedelt wurden und Wasserfällen, die sich Richtung Meer stürzen. The Pathless ist dann am besten, wenn es seinem Namen gerecht wird. Es gibt keine Karte, keine Questmarker, nur mich, meinen treuen Begleiter den Adler und diese Insel, die es zu befreien gilt.

Hinweis:

Ich habe die PS4-Version getestet, denn in Europa erscheint die PS5 und damit zeitgleich auch The Pathless erst am 19.11., die PS4- bzw. PC- und Apple Arcade-Version  könnt ihr jetzt schon digital erwerben. Die boxed Version steht ab dem 8. Dezember im Handel.

Da die PS5 noch nicht erschienen ist, konnte ich natürlich noch nicht die PS5 Variante mit dem neuen Dualsense Controller ausprobieren. Bei dem Gamepad soll sich beim Bogenspannen der Trigger deutlich härter anfühlen, wodurch das spannen der Sehne simuliert werden soll. In der Theorie klingt das faszinierend und cool. In der Praxis konnte ich das leider noch nicht erleben. Grafisch gibt es kaum Unterschiede, die Ladezeiten sind auf der PS5 aber mit Sicherheit kürzer. Die sind aber ohnehin auch auf PS4 ansehnlich kurz und außerdem nur beim Spielstart notwendig.

So schnell wie eine Spinne

Das Spiel macht auch so viel Spaß, weil das von A nach B laufen so cool ist. In den besten Momenten erinnert es mich an das Schwingen von Spider-Man durch New York. Das liegt daran, weil das Bogenschießen nur sehr wenig Skill benötigt. Klassisches Zielen gibt es gar nicht. Die alle paar Meter verteilten Kristalle, werden automatisch als Ziel anvisiert und mit bei gehaltenem rechten Trigger automatisch abgeschossen. Das füllt dann eine Leiste mit der die Jägerin zu schnellen Sprints und Sprüngen ansetzen kann. Schafft ihr den rechten Trigger mit perfektem Timing bei der Hälfte der Aufladung loszulassen, gibt es sogar noch mehr Energie als Belohnung.

Gen Himmel

Dann flitzt die namenlose Jägerin erst richtig los und beginnt sogar am Boden zu sliden, während sie auf das nächste Ziel feuert. Die dynamische und coole Bewegung wird nahtlos in der Luft fortgesetzt. Für jedes Ziel bekommt man einen ordentlichen Hüpfer und kann so Komboketten problemlos aneinander reihen. Die Jägerin besitzt außerdem unendlich Pfeile, was sehr angenehm ist. Besonders cool ist dann noch mein Adler, der mir mit einem zusätzlichen Flügelschlag noch einen ordentlichen Höhenboost gibt und mich unendlich lange in der Luft gleiten lässt. Dadurch wird der sprichwörtliche Weg tatsächlich zum Ziel, weil die Bewegung in der Spielwelt sehr viel Spaß macht und ich in einen fesselnden Flow komme.

Treuer Begleiter

Mein Adler ist mir in meinen ca. fünf Spielstunden sehr ans Herz gewachsen. Er lässt mich durch die Lüfte gleiten, hat Angst vor den verdorbenen Statuen (er kauert, dann bibbernd auf meiner Schulter) und das Beste, ich kann ihn streicheln. Erinnert ganz ein bisschen an The Last Guardian, aber zum Glück ist der Vogel nicht so störrisch. Durch den Adler und den Bogen haben die EntwicklerInnen ganz wunderbare Rätsel geschaffen, die in der Welt verbaut sind. Hier benötigt es kein Hinweisschild oder sonstige Fingerzeige. Kleine Schalterrätsel wechseln sich z.B. mit der Aufgabe ab eine Fackel per Pfeil durch eine Feuerquelle zu entzünden. Mein gefiederter Freund bringt mir außerdem Gewichte, um so z.B. Schalter zu beschweren. Per Knopfdruck kann man in die Sicht der Totenwelt wechseln, um besondere Wände durchschreiten zu können. Setzt ihr das Feature an einer erhöhten Stelle ein, zeigt es euch automatisch nächste Lichtsteine oder sonstige interessante Orte an. Ganz ohne Karte, ganz ohne Questmarker – super in die Spielwelt integriert. Die Umgebungsrätsel mögen der Beschreibung nach niemanden vom Hocker reißen, sie sind aber immer so angenehm leichtgewichtig und gut verständlich, dass die kleinen Knobeleien mir viel Freude bereitet haben. Außerdem bieten sie eine kurze Verschnaufpause vom sonst so flicken Bewegungssystem.

Licht anmachen für den Bosskampf

Außerdem gibt es dadurch immer etwas zu entdecken und ihr könnt Edelsteine finden, mit der ihr die Anzahl der Flügelschläge eures Adlers erhöht. Das ist zwar rein optional, macht die Fortbewegung der Jägerin aber noch flüssiger und angenehmer und hat mich dadurch gut motiviert auch diese Puzzles zu lösen. Abseits dieser Nebenaufgaben sammelt ihr auf jedem der drei Plateaus Lichtsteine, um damit die Lichttürme zu erwecken und so das Licht (ganz schön viel Licht und Schatten) auf die jeweilige Kreatur des Waldes zu bündeln. Diese drei Tiere müsst ihr von ihrer Verderbtheit befreien und sie in Kreaturen des Lichts zurück verwandeln. Dieser Vorgang endet immer in einem Bosskampf und die sind richtig cool gemacht. Der ganze Waldabschnitt brennt und vor mir rast ein riesiges Hirsch ähnliches Monster namens Cernos, dass Feuerbälle schießt und eine Spur aus Feuer und Asche hinter sich herzieht. Neben ständigen Ausweichmanövern muss die Jägerin dann auch noch versuchen Schritt zu halten und auf die empfindlichen gelben Stellen des Biestes zu feuern. The Pathless schafft es in diesen Kämpfen gerade zu hervorragend alles bisher Gelernte in aufregenden Passagen abzufragen.

Ein wenig Schatten

Ansonsten gibt es auch keine Gegner. Das ist sehr konsequent, denn die würden mich nur aus dem Flow bringen und wahrscheinlich eher stören. Ein etwas lästiges Feature hat es dann aber doch ins Spiel geschafft. Der Boss der Region sendet manchmal eine rote Feuerwolke aus. In einer immer gleichen Sequenz, muss die Jägerin dann ungesehen zum verletzten Adler gelangen. Das ist beim ersten Mal noch ganz cool, spätestens beim achten Mal hat es jeglichen Zauber verloren. Und wenn ich schon am Kritisieren bin, dann muss ich das Monster-Design bemängeln. Sie sind immer tief rot (weil verdorben) und eher krude. Der Stil hat mir nicht so gut gefallen, das ist aber Geschmackssache.

Stimmiges Gesamtbild

Das Weltendesign hingen ist großartig, spielerisch wie auch vom Design her. Spielerisch weil man mit den vielen Türmen, Brücken, den Plateaus und Höhenänderungen eine sehr vertikale Welt gebaut hat, die viele Möglichkeiten bietet den Adler zu nutzen. Der Grafiklook wird weder Next-Gen noch Current-Gen an irgendwelche Grenzen treiben – das muss er aber auch nicht. Der Artlook ist stimmig, die Farbpalette eher dunkler und es gibt ganz herrliche Flugrouten mit schönen Panoramen. Besonders gut gefällt mir die Idee der schwebenden, brennenden Insel in der der Gottesmörder wartet. Wie das Auge Saurons ist es von überall zu sehen und es strahlt ständig Bedrohung aus. Man fühlt sich dadurch immer ein bisschen beobachtet. Ein ganz besonderes Lob hat sich der Soundtrack von Austin Wintory, der die mythische Atmosphäre kraftvoll verstärkt.

The Pathless

Mit The Pathless hat Entwickler Giant Squid wieder einen sehr geschickten Kniff angewandt – das Game hat mit seinen fünf Stunden eine super Länge. Würde man z.B. die Ubisoftformel draufklatschen und überall langweilige Standard-Bonusnebenaufgaben hinzufügen, dann würde das dem Spiel nicht gut tun. So gibt es kein Gramm Fett an diesem Titel und es ist nichts unnötig gestreckt. Die coole Bewegung durch die Welt wird so nie langweilig und kurz bevor das Lichtsteinsammeln und puzzeln all zu repetitiv wird, ist das Spiel auch schon zu Ende. Bis auf die Fortbewegung macht der Titel wenig Neues. Das was es tut ist dafür aber geschickt eingesetzt und die kleinen Rädchen sind gut miteinander verzahnt. The Pathless ist ein Indie-Kleinod, dass ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Ich hoffe, es geht im chaotischen Next-Gen Release nicht unter.

Wertung: 8.5 Pixel

für The Pathless im Test – Rasant und gut von