Quo Vadis, Blizzard?

von postbrawler 17.08.2016

Der gestrige gamescom-Auftritt von Blizzard war alles andere als legendär. Ich habe meine Lieblings-Spieleschmiede kaum wiedererkannt. Um zu erläutern, wie die KalifornierInnen einst mein Herz erobert haben, um es nun mit Füßen zu treten, muss ich etwas weiter ausholen. Um dann ganz provokant die Frage zu stellen: Quo vadis, Blizzard?


When it’s done ™

Blizzard Entertainment – der Name steht für Qualität! „…when it’s done!“ ist eine Phrase, die in der Spielebranche viel zu selten das hält, was sie verspricht. Blizzard hat sich quasi zum Leitmotiv erhoben. Kein Spiel verlässt die heiligen Hallen von Anaheim bevor es nicht hundertprozentig geil ist! Nach diesem Credo sind Echtzeitstrategie-Perlen wie StarCraft, das erste massentaugliche MMO World of Warcraft, und kleine Suchtperlen wie Hearthstone entstanden.

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Von Synapsen und Schneestürmen

Frank Parce, Mike Morhaime und Allen Adham – die Gründer von Silicon & Synapse

In wenigen Jahrzehnten der Videospielgeschichte hat sich aus dem kleinen 3-Mann-Betrieb, der sich Silicon & Synapse nannte, der Weltkonzern Activision-Blizzard erhoben. Ihre Sporen haben sich die KalifornierInnen mit einfachen Spielen wie Lost Vikings oder Rock & Roll Racing verdient. Den richtigen Durchbruch schaffte man mit der RTS-Reihe WarCraft. Dessen Orcs and Humans getaufter Erstling war für damalige Verhältnisse nicht mal recht innovativ. Handlung und Setting hat man sich von Warhammer abgeschaut, das Spielprinzip von Westwood-Klassikern wie Dune oder Command & Conquer abgekupfert.

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Perfektion statt Abgabetermin

StarCraft: Ghost entsprach nicht den Qualitätsstandards

Doch Blizzard machte etwas, das für andere nicht so wichtig war: Sie bastelten so lange an einem Spiel, bis es perfekt war. Das konnte sogar so weit gehen, dass ganze Spiele einfach eingestampft wurden. Weil sie den hohen Qualitätsstandards nicht entsprachen, wie man betonte. StarCraft: Ghost sei hier nur beispielhaft erwähnt. Für diesen Perfektionismus werden sie auch heute noch von Millionen Fans abgöttisch geliebt.

StarCraft: Ghost © buffed.de

Natürlich brachten sie damit auch ihren Publisher (damals noch Vivendi) auf die Palme, weil es niemals konkrete Fertigstellungstermine für Spiele gab. Das machte Blizzard aber mit Kassenschlagern wieder wett, die in der Gunst der SpielerInnenschaft bis zum heutigen Tag nachwirken. Diablo, StarCraft und WarCraft haben sich als echte Marken etabliert.

Der Durchbruch

Vanilla World of WarCraft © RockPaperShotgun

Der finanzielle Durchbruch gelang Blizzard 2004, als sie ihr erstes (und bis dato einziges) MMO auf den Markt brachten. World of WarCraft zählte an seinem Zenit bis zu 11 Millionen aktive SpielerInnen. Das ist mehr, als alle anderen MMOs am Markt gemeinsam je hatten – Free to Play eingerechnet. World of WarCraft löste einen Hype popkultureller Ausmaße aus und küsste das bis dahin ein Nischendasein fristende Genre aus dem Dornröschenschlaf. Plötzlich wollte jeder Publisher ein MMO betreiben. Viele sind daran gescheitert, während WoW nach 12 Jahren in Betrieb gerade sein sechstes AddOn feiert.

WoW – Abos im Laufe der Zeit © PC-Games

Die Fusion

Wir müssen den Spaß aus der Spiele-Entwicklung rausnehmen!

Nachdem Blizzard wohl selbst nicht mit einem solchen Erfolg gerechnet hatte, schloss man sich 2008 mit Activision zusammen. Das sollte Blizzard die Möglichkeit offenhalten weiterhin Spiele zu entwickeln, und sich logistisch und bürokratisch zu entlasten. Nicht alle waren glücklich mit diesem Schritt. Der Chef von Activision, Bobby Kotick machte bis dato eher mit markigen Sprüchen á la: „Wir müssen den Spaß aus der Spiele-Entwicklung rausnehmen!“ auf sich aufmerksam. Und eine solche Partnerschaft bringt auch Erfolgsdruck mit sich. Neben einer großen MMO-NachfolgerIn für WoW, die als Project Titan grassierte, mussten auch noch andere Standbeine geschaffen werden.

Robert “Wir müssen den Spaß aus der Spieleentwicklung rausnehmen!” Kotick

Das Zauberwort der Zeit hieß „Free to Play“. Es sicherte Publishern laufende Einnahmen bei einer hohen Verbreitung durch denkbar geringe Einstiegshürden für SpielerInnen. Das von Blizzard als lustiges Spaßprojekt vorgestellte Hearthstone war das erste Produkt dieser Trendwende. Natürlich ließ Blizzard auch diesem Spiel ihren Handschliff angedeihen, was es zu einem der beliebtesten Sammelkartenspiele machte. Auch das MOBA-Genre wurde mit Heroes of the Storm ordentlich aufgemischt. Und Diablo III? Das bekam mit dem Echtgeld-Auktionshaus einen Marktplatz spendiert, in dem SpielerInnen mit digitalen Waren handeln konnten.

Die Wende

Aus den Überresten von Titan wurde noch rasch ein Multiplayer-Shooter gezimmert

Noch bis vor kurzem schien alles Gut im Staate Däne, äh Kalifornien. Bis auf das Auktionshaus natürlich, das wurde nach massiver Kritik offline genommen. Umso schmerzvoller war es, als Blizzard 2014 eingestehen musste, dass Project Titan nicht mehr weiterentwickelt werde. Man habe sich in eine falsche Richtung entwickelt, sich überhoben. Aus den Überresten der WoW-NachfolgerIn wurde noch rasch ein Multiplayer-Shooter gezimmert – Overwatch. Ob es wirklich Resignation war, oder eine Weisung von Activision, wird wohl nie geklärt werden. Meiner Meinung nach hat Blizzard ihren Traum der unabhängigen Spieleschmiede, für die Qualität und Spaß im Vordergrund stand, an diesem Tage begraben.

Die gamescom zeigte ein anderes Blizzard

Warum ich euch das alles überhaupt erzähle? Der gestrige Auftritt von Blizzard bei der gamescom hat mir vor Augen geführt, wofür Blizzard einmal stand, und was es heute tut. Diesmal gab es kein AddOn, keinen Nachfolger und kein tolles neues Projekt zu bestaunen. Anstatt dessen lobte man in Apple-hafter Manier neue Maps, Skins, Charaktere und Features für den bestehenden Fuhrpark in den Himmel.

  • Ein deutsches Schloss in Overwatch.
  • Einen Protoss als neuen spielbaren Charakter in HOTS,
  • tolle Schachkarten in Hearthstone.
  • Einen Ghost-Skin für Kerrigan
  • Und „viele tolle Dinge“ ™ in Diablo III.

Die meisten davon natürlich gegen Aufpreis, versteht sich.

Ich befürchte, dass Blizzard sich mit dieser Strategie in eine Sackgasse manövriert. Klar, man kann mit einem grafischen Asset Millionen verdienen, an dem irgendeine GrafikerIn eine halbe Stunde gebastelt hat. Aber ist das dann noch Perfektion? Ist das siebte Kostümchen für Kerrigan in HOTS noch das Produkt, das mir über Jahrzehnte so viel Freude bereitet hat? Ich will keine digitalen Barbiepuppen ich will mein altes Blizzard zurück!

Vielleicht übertreibe ich ja auch nur maßlos, und der Spuk löst sich spätestens auf der BlizzCon im November in Wohlgefallen auf. Vielleicht wollten die KalifornierInnen lediglich ihre Asse im Ärmel nicht vorzeitig verspielen. Auf der Hausmesse in Anaheim zeigen sie es dann, das WarCraft 4, das StarCraft HD Remake und das World of WarCraft 2. Schließlich hatte man ja bis vor kurzem noch alle Hände voll zu tun, um WoW: Legion und den WarCraft-Film auf Schiene zu bringen.

Quo Vadis, Blizzard?

Quo vadis, Blizzard?

Quo vadis, Blizzard?

Wollen wir ihnen den verkorksten Auftritt auf der gamescom noch mal durchgehen lassen, und hoffen, dass es sich dabei nur um eine Verlegenheitsaktion gehandelt hat. Denn wenn Blizzard das mit den Skins und Maps wirklich ernst gemeint hat, muss ich meine Glauben an die perfekte Spielefirma wohl begraben.

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