Nutaku als das Steam der Adult und Sex Games – Der Markt boomt, besonders für Indie-Entwickler

von David Kolb-Zgaga 28.08.2018

Nutaku ist quasi der Steam-Shop der Sex Games und es liegt unheimlich Potenzial, aber auch Geld in diesem Genre. Trotzdem gibt es kaum Berichte darüber und das Thema wird oftmals belächelt und abgetan. Gerade für Indie-Entwickler sind Adult Games aber eine gewinnbringende Angelegenheit und es gibt mittlerweile einen gigantischen Markt dafür. Werfen wir also einen Blick auf genau diesen und seine tabuisierten Spiele, die kaum wer kennt, aber trotzdem jeder schon einmal gespielt hat.

Ist Mass Effect ein Sex Game?

„Rule 34: If it exists, there is porn of it.“ besagt ein weises Internetsprichwort und das macht auch nicht vor Videospielen halt. Es ergibt auch absolut Sinn, denn Seiten wie Pornhub gehören mit 3 Milliarden Aufrufen pro Monat, zu den beliebtesten Internetadressen weltweit. Wenn es um Adult Games geht, reden wir hier aber nicht über Mass Effect oder Dragon Age, wo es als Nebenquests kleine Flirts gibt und diese am Ende in einer verschämten Sexszene enden. Was ist dann aber die Definition eines Sex Games? Nutakus Business Development Manager Jeff Tremblay, der auf der devcom 2018 den Talk „The Rise of the Adult Gaming Market – a new Revenue Stream for Developers“ hielt, bezieht sich hier auf die amerikanischen ESRB Ratings.

Ohne Sex geht nichts

„Richtige“ Sex Games beinhalten Nackt-, sowie Sexszenen. Das hat aber eben ein Mass Effect auch noch, weshalb Tremblay ein wichtiges Zusatzdetail anfügt. Sex Games, sind Games mit Gameplay und jede Belohnung des Spiels gipfelt in einer Sexszene. Scherzhaft wird dem noch angehängt, dass man in „normalen“ Spielen immer bessere Power-Ups und Rüstungen erhält. In Sex Games aber, wird die Rüstung mit Spielfortschritt sukzessive immer weniger. Lustigerweise ist das erste Witcher-Spiel mit seinen Nacktfoto-Sammelkarten-Nebenquests gar nicht weit davon entfernt. Man kann das polnische Rollenspiel aber auch ganz ohne sexuelle Zwischenfälle durchspielen, weshalb es selbstverständlich nicht zu den Adult Games gehört.

Legitime Einkommensquelle

Auch wenn es schon das Spiel Sex Games am C64 gab, so startete das Genre, wie wir es heute kennen in Japan. Dort gehören Animes, aber auch die sexualisierte Form, die Hentais schon lange zur Popkultur. Deshalb sind auch noch immer viele Spiele in einem asiatischen 2D-Anime-Stil gezeichnet. Das hat natürlich auch den Vorteil, dass dieser Stil leichter zu realisieren ist, als komplexe, animierte 3D-Modelle. Nutaku wurde vor drei Jahren gegründet und startete nach Eigenentwicklungen damit asiatische Adult Games in den Westen zu importieren und zu lokalisieren. Innerhalb von nur drei Jahren, schaffte man es mit Publishing und einem Marktplatz für Adult Games, zu sage und schreibe 100 Millionen Seitenbesuchen im Monat. Auf der devcom präsentierte man einen Jahresfond für Indie-Entwicklungsstudios von 10 Millionen Dollar. Genau darin liegt der Knackpunkt, denn für ein kleines Indie-Team kann es sehr lukrativ und ein neue Einkommensquelle sein. Das Gute daran ist, dass die Spiele oftmals auch mit weniger gut ausgestatteten Budgets umsetzbar sind.

Zwei Seiten, zwei Welten

Trotzdem – und das versichert mir Tremblay im persönlichen Gespräch – geht es nicht ohne gutes Gameplay. Der Adult-Content sei zwar ebenfalls essentiell, funktioniere aber nie ohne ein interessant umgesetztes Spielprinzip. Beliebte Genres sind Graphic Novels, Clicker-Spiele, Dating Sims, aber überraschenderweise auch Action-RPGs. Tremblay erklärte in seinem Talk auch, dass es Studios gibt, die für Nutaku ein Sex Game entwickeln und dadurch Einnahmen generieren. Mit diesen Umsätzen ist es dann möglich das aktuelle Gameplay noch weiterzuentwickeln und auf Wunsch auch in ein Nicht-Adult-Game umzuwandeln. Es gibt sogar den umgekehrten Weg, dass bereits ein “normales” Spiel existiert und Nutaku dafür bezahlt, dieses zusätzlich in ein Sex Game umzuwandeln. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass Nutaku zwar für Adult Games steht, da man 96% des Umsatzes damit generiert, es aber zwei Seiten der Webseite gibt. Die Seite mit „.com“ ist die jugendfreie Variante, Tremblay spricht hier von der die SFW (Safe For Work)-Option, wenn man so möchte. Dort werden keine sexualisierten Inhalte angezeigt. Die „.net“-Seite hingegen ist die NSFW-Seite und zeigt ausschließlich Adult Games.

Strikte Regeln

Ähnlich strikt ist Nutaku auch bei Restriktionen, denn im Gegensatz zu Hentai, ist hier bei Weitem nicht alles erlaubt. Im Hentai gibt es sogar ein eigens benanntens Genre namens „Lolicon“, das ausschließlich vorpubertäre Mädchen zeigt. Nutaku hingegen schließt Kinderdarstellungen, egal in welcher Form ohne wenn und aber aus. Auf Nachfrage,  behauptete ich dann, dass es ja ein leichtes  wäre, dass ein gezeichneter Charakter wie 12 aussieht, aber trotzdem Volljährig ist, weil der Autor das so angibt und definiert. Bei Tremblay anscheinend einen Nerv getroffen, sagte er sofort, Nutaku ist nicht nur strikt, die Firma erlaub auch keine Grauzonen. Alle EntwicklerInnen erhalten strenge Vorgaben, Kinder und Jugendliche nicht darzustellen. Auch wenn die Anmutung „nur“ jugendlich aussieht, wird diese abgelehnt. Der Developement Manager erzählte mir dann, dass jede einzelne Grafik überprüft und z.B. auch Alkohol, Waffen, Tiere und Familien keinesfalls in ihren gepublishten Spielen (bzw. die Spiele auf der Homepage) auftauchen dürfen.

Patreon als Konkurrenz

Das ist auch der Unterschied zu den Patreon-Projekten, die ebenfalls Adult Game Inhalte anbieten und weit über diese Grauzonen hinausgehen. Das wäre zwar eigentlich gar nicht erlaubt, denn auf Patreon dürfen keine klassischen sexuellen Inhalte angeboten werden. Da man hier aber den Künstler bzw. die Künstlerin unterstützt und die zufälligerweise auch pornografisches Material produzieren, ist dieser Weg möglich. Auf Nachfrage, erklärt mir Jeff Tremblay, dass Nutaku damit zwar Konkurrenz bekommt, aber auch eine gewisse Talentschmiede sieht. Wer sich auf die Restriktionen umstimmen lässt und nicht auf Patreon-Spenden hoffen möchte, kann sein Geld ebenfalls mit Nutaku, als Publisher verdienen. Werfen wir also einen detailierteren Blick hinter die Kulissen einer noch immer tabuisierten Industrie.

Der Westen löst Asien ab

Ein weiteres Indiz für den wachsenden Markt ist, die sehr wahrscheinliche Änderung der Demografie. Die Hauptzielgruppe von Sex Games waren bis jetzt heterosexuelle Männer zwischen 18 und 25 Jahren. Allerdings stieg der Anteil an Frauen auf der Seite von 2015 zu 2017 von  6% auf 15% – Tendenz steigend.

Zum ersten Mal überhaupt auf Nutaku, führt nun bei den beliebtesten Spielen nicht mehr der asiatische Stil, sondern der Westliche. Die Westliche Optik erinnert dabei mehr an Superhelden-Comics, während Manga und Anime-Charaktere meist überdimensional große Augen und oftmals auch sehr ausgeprägte sekundäre, weibliche Geschlechtsteile besitzen. Das mit den Geschlechtsteilen muss man bei Sex Games allerdings etwas relativieren, denn ähnlich wie auf herkömmlichen Porno-Seiten, gibt es hier Formen in allen Größen. Aber was bedeutet diese Geschmacksverschiebung, weg vom asiatischen Stil und hin zum westlichen Look?

Zielgruppen ändern und erweitern sich

Die Vorlieben ändern sich, auch weil unterschiedlichere Leute die Plattform besuchen. Deshalb startet Nutaku nun auch den Versuch aus dem sehr beliebten Spiel Fake Lay, eine Variante für homosexuelle Männer, bzw. Frauen mit Fetisch für dieses Genre zu entwickeln. Dies ist das allererste Projekt auf Nutaku, dass diesen Versuch wagt und ehrlich gesagt wundert es mich, dass dieser Vorgang drei Jahre benötigte und jetzt erst eingeleitet wurde. Wenn auch spät, ist es ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, allerdings nur für Nutaku. Bei Patreon werden auch „Nischengenres“ hinreichend bedient, aber das ist eben auch eine Eigenart dieser Seite. Tremblay legte deshalb auf Nachfrage gleich nach, dass es eben sehr viele verschieden Geschmäcker gäbe und diese nicht nur toleriert, sondern vor allem auch respektiert werden müssen. Prinzipiell ist man daher bei Nutaku sehr offen, aber auch wenn die Firma ihren Sitz in Kanada hat, gibt es sehr viele Kunden aus den USA und da hat man es nicht so leicht mit nicht-heterosexuellen Inhalten, bzw. sexuellen Inhalten überhaupt.

Gegenseitiger Respekt

Auf die Frage, ob es denn Probleme mit Anschuldigungen oder Hass-Mails gibt seufzt der Business Development Manager kurz. Er meint es sei nicht so tragisch, aber es kann schon immer wieder zu kleineren oder selten auch größeren Problemen kommen. Er redet von einem respektvollen Umgang miteinander. „Ich respektiere jede Meinung, aber alle anderen sollten auch unsere Meinung und vor allem auch unsere Arbeit respektieren“ Und auch ich möchte mit diesem Artikel zu gegenseitigem Respekt beitragen, denn es ist merkwürdig, dass solche Dinge im Jahr 2018, noch immer als verwerflich gelten und teilweise sogar mit größter Verachtung gestraft werden.

Tremblay hält zum Abschluss fest: nur 1% aller produzierten Spiele (egal ob mobile, F2P, Konsolen- oder PC-Titel) sind ein finanzieller Erfolg. Wenn es also kleinere Studios gibt, die sich dadurch ein Standbein aufbauen wollen, warum nicht? Das Wichtigste daran ist, dass sie Sex Games auch machen wollen und nicht wiederwillig und nur wegen des Geldes solche Spiele produzieren. Tremblay meint, dass das ohnehin nicht lange funktionieren würde. Auch Adult Games benötigen ein gutes Gameplay, denn ohne findet man trotzdem keine KäuferInnen. Egal wie man zu Sex Games steht: Auch in diesem Genre gibt es Vieles zu lernen, zu meistern und vor allem werden auch respektable Leistungen erzielt. Und das in einem Markt, der jeden Monat größer wird und den trotzdem noch immer “keiner zu kennen scheint”.