Mass Effect Legendary Edition Test Part II

von Mathias Rainer 18.07.2021

In unserem Mass Effect Legendary Edition Test beleuchten wir die aufpolierte Version BioWares ikonischer SciFi-Trilogie. Nachdem wir in Part I bereits den ersten Teil im Detail besprochen haben, nehmen wir nun konkret die beiden verbleibenden Games unter die Lupe. Für unsere Eindrücke haben wir beide Titel aufeinander aufbauend mit importiertem Shepard-Charakter komplett durchgezockt. Getestet wurden dabei jeweils die Playstation 4-Versionen des Games.

Auch für dieses Review zweier 10 Jahre alter Originalspiele wollen wir wieder explizit eine Spoilerwarnung aussprechen. Wer die Games schon durchgezockt hat, sich von Spoilern nicht abschrecken lässt oder trotzdem einfach wissen will, wie denn die überarbeiten Versionen denn nun geworden sind, dem wünschen wir mit unseren folgenden Ausführungen viel Spaß!

Mass Effect Legendary Edition: Daten und Fakten

  • Datum der Erstveröffentlichung von Mass Effect 2: 26.01.2010
  • Datum der Erstveröffentlichung von Mass Effect 3: 06.03.2012
  • Aktuelle Veröffentlichung: 14. Mai 2021 als Mass Effect Legendary Edition
  • Genre: Rollenspiel, Shooter, Science-Fiction
  • Spielmodus: Einzelspieler
  • Plattformen: Playstation 4, Xbox One, Microsoft Windows
  • Altersfreigabe: PEGI 18, USK 16
  • Entwickler: BioWare
  • Publisher: Electronic Arts
  • Sprache, Untertitel und Vertonung: Deutsch, English sowie weitere
  • Preis: 59,99 Euro (Steam), 69,99 Euro (Playstation- und Microsot-Store)

Mass Effect Legendary Edition Test Part II – Masse statt Klasse?

An der überarbeiteten Remastered-Collection von BioWare kann man wunderbar die Entwicklung ihrer eigens entwickelten Science-Fiction-Saga einsehen. Während vor allem der erste Teil wie in Part I angeschnitten noch unter technischen Limitierungen und Gameplay-Mankos gelitten hat, so wurden diese Baustellen mit den weiteren Games ausgemerzt. Bereits Mass Effect 2 stellte im Jahr 2010 alles in Allem einen großen Schritt in Richtung geschliffenerem Gesamterlebnis dar.

Spätestens mit der Vollendung der Trilogie hielt dann auch der cineastische Bombast Einzug in der Galaxie. Bevor wir uns nun aber umfassend mit den Story-Beats und Charakteren befassen – welche beide einen maßgeblichen Anteil am Mass Effect-Erlebnis liefern – wollen wir zuerst auf die kleinen aber feinen Änderungen eingehen.

Technische Stellschrauben

Wie das auch zu erwarten war wurde hinsichtlich der technischen Aufarbeitung am meisten noch an Mass Effect 1 herumgeschraubt. Mit dieser taktischen Präsentation ging man ja im Hause Electronic Arts auch schon offen vor der Veröffentlichtung im Mai in die Offensive. Anhand der optischen Aufbesserung des ersten Teils im Vergleich zur Originalversion kann man sich eben am besten und auf einen schnellen Blick vermarkten. Und sind wir einmal ehrlich – Teil 1 hatte die Aufhübschung auch am dringendesten nötig.

Anders als eigentlich die beiden Nachfolger aus den Jahren 2010 und 2012. Die sind auch in der Retrospektive eigentlich noch ganz frisch und hätten jetzt nicht auf Biegen und Brechen einer Überarbeitung bedurft. Die gab es im Zuge der umfassenden Legendary Edition nun aber dennoch und wir sind darüber zumindest nicht erbost. Wie schon in Shepards erstem Abenteuer wurden Texturen, Belichtung oder Animationen angepasst. Eine wesentliche, positive Änderung im Vergleich zum ersten Teil hat hingegen rein gar nichts mit der Überarbeitung durch den Hersteller zu tun.

Verfeinertes Gameplay – (fast) kein Mako-Manko mehr!

Es gibt ja Reihen, da merkt man die Weiterentwicklung ausschließlich durch verfeinerte Spielmechaniken oder die Fortführung sonstiger bewährter Konzepte. In der Mass Effect-Trilogie hatte man aber immer auch den Eindruck, dass Entwickler BioWare auf die Fans hört. “Um Himmels Willen bitte keine dumme Mako-Steuerung mehr!” oder “Die Shooter-Mechanik aus der Hölle muss dringend verbessert werden!”.

Gesagt, getan! Denn In Mass Effect 2 ist vom ungeliebten Mako nicht mehr die Spur zu sehen. Zwar kehrt das Fahrzeug in Teil 3 noch einmal sporadisch auf die große Bühne zurück, nervenaufreibende Abenteuer auf unwegsamen Planetenoberflächen gehörten ab 2010 aber definitiv der Vergangenheit an. Das Erkunden von spärlich besiedelten Arealen auf der Suche nach dem x-ten Matriarchen-Medaillon wurde damit abgelöst. Action-Passagen “reduzieren” sich ab Teil 2 auf die deutlich verbesserte Shooter-Mechanik.

Verfeinertes Gameplay – smoother Shooter

Eine halbe Stunde in Mass Effect 2 – da ist man noch gar nicht richtig angekommen im Game – und man merkt schon, dass BioWare ordentlich an den wichtigsten Spielmechaniken gebastelt und diese damit verbessert hat. Shepard steuert sich im Vergleich zum ersten Teil zielgenauer, die Kameraführung wurde verbessert. Beides wirkt sich auch positiv auf die Kämpfe mit Pistore oder Schrotflinte aus. Ich muss nicht mehr wild und unkontrolliert auf das Gamepad hämmern nur um sicherzugehen, dass mein Commander auch mit Sicherheit hinter einer Kiste in Deckung geht. Mit der überarbeiteten Objekt-Abfrage macht er das auch einfach fast schon ungefragt mit der ersten Anweisung.

Das Treffer-Feedback wurde ab Teil 2 ebenso optimiert. Vorbei sind die Zeiten, wo ich mit meiner Sniper einen weit entfernten Gegner abgeschossen habe ohne zu wissen, ob es diesen überhaupt tangiert. Abgelöst wurde zudem das im Rückblick betrachtet nervtötende Cooldown-System der Waffen. Insofern unserem Shepard im Gefecht nicht die Munition ausgeht, können wir uns theoretisch ohne Unterbrechung durch die Gegner-Reihen ballern.

Durch diese vielen kleinen aber feinen Verbesserungen bekommen die Kämpfe in Mass Effect 2 und Mass Effect 3 nun eine deutlich gestiegene Dynamik und Brisanz. Durch die größtenteils geschickte Einbindung verschiedener Typen von Feinden wie etwa den Husks, ist man dennoch gezwungen sich regelmäßig hinter Deckung neu zu sammeln.

Ist das noch Rollenspiel?

Während das Gameplay gesamtheitlich auf eine neue Ebene gehoben wurde, fuhr BioWare den Rollenspiel-Anteil im Mittelteil der Reihe doch deutlich zurück. Der Fokus lag anscheinend nach der Zielgruppenforschung ab 2007 eher auf Action-basiertem Shooter denn auf waschechtem Rollenspiel mit gelegentlichen Baller-Sequenzen. Zwar gibt es nach wie vor die verschiedenen Basis-Klassen für unsere Charaktere wie den Soldaten, den Techniker oder den Infiltrator. Die Anzahl möglicher trainierbarer Fertigkeiten wurde aber im Vergleich  zum Vorgänger doch deutlich von 8 auf 4 reduziert. Selbst unser Hauptprotagonist Shepard verfügt nur über 5 unterschiedliche ausbaubare Fähigkeiten.

Erst in Mass Effect 3 wurde auf den Rollenspiel-Anteil in diesem Bereich wieder etwas mehr Augenmerk gelegt und somit sozusagen ein Hybrid aus den beiden Vorgängern geschaffen. In beiden Fällen führt das jedoch unweigerlich zum Punkt gegen Ende der Spiele, in denen unsere Charaktere nahezu alle ihre Fähigkeiten nicht nur freigeschaltet, sondern auch bis zur maximalen Ausbaustufe verbessert haben. Das zeichnet sich auch während dem Zocken schon auf halbem Weg recht deutlich ab, was dazu führt, dass man im Zweifel gar nicht mehr so sehr bei der Talente-Vergabe nachdenkt, man doch früher oder später sowieso alles freischaltet.

Sonstige Entwicklungen

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle – bevor wir zum Hauptteil um die Story selbst kommen – noch ein paar Punkte, die ansonsten in einem groß angelegten Mass Effect Legendary Edition Test eventuell zu kurz kommen könnten. Zum einen fällt mir als jemand – der diesem Aspekt immer eine gewisse Aufmerksamkeit einräumt – auf, dass die Menü-Führung und Struktur sich doch deutlich verbessert hat. Ein erster Schritt stellt eine Verbesserung vom ersten auf den zweiten Teil dar. In Mass Effect 3 wurde das Design noch einmal an heutige Maßstäbe angeglichen.

Das kommt vor allem der schnellen Navigation innerhalb der diversen Dialoge wie Ausrüstung, Kodex, Squad oder der Karte zugute. Zudem tue ich mich nun beim Upgraden oder dem Wechsel der Waffen unseres Shepard um ein vielfaches leichter. Im ersten Teil erstmal herauszufinden, wie das verüberkomplizierte Waffen-Menü funktioniert hat schon einmal eine Weile gedauert, ist mir nun aber auf Anhieb ersichtlich.

Ein weiterer Punkt, der in der Science-Fiction-Reihe immer wieder für ein wenig Abwechslung in den Alltag aus Laufen, Geballer und Reden gesorgt hat war das Hacken. Im ersten Teil noch rudimentär durch das schnelle drücken der richtigen Tastenabfolge am Kontroller abgebildet findet dieses Mini-Game innerhalb des Spiels in Mass Effect 2 seinen Höhepunkt. Anstatt der recht simplen Mechanik im ersten Teil wurde diese jedoch für die Fortsetzung adaptiert. Man muss nun entweder auf einer optisch Labyrinth-artig dargestellten Platine zwei zusammengehörige Enden miteinander verbinden. Oder man bekommt einen farblich sowie förmlich unterscheidbaren Code-Abschnitt vorgesetzt und muss unter Zeitdruck das dazu idente Equivalent unter verschiedenen Code-Blöcken identifizieren.

Ich war in Teil Zwei jedes Mal erfreut, wenn ich eine solche Gelegenheit zu diesen Minispielen hatte. Zumal es in der Historie der Videospiele nicht allzu oft vorkommt, dass der Vorgang des Hackens an sich – obwohl es ja oft genug versucht wurde – gut dargestellt wird. Warum man dieses abwechslungsreiche, sowie spannende Element mit dem finalen Teil fast komplett entfernt hat ist für mich nicht zu hundert Prozent nachzuvollziehen. Vermutlich gab es unter all den Shooter-Lieblingen des Vorgängers zu wenige, die sich mit den doch mitunter komplexeren Denkaufgaben auf Dauer abgeben wollten.

Mass Effect Legendary Edition Test der Story – it’s gonna be legendary!

Ah die Story! Der Grund warum bis zum Erscheinen der überarbeiteten Editon vor ein paar Wochen jeder eingefleischte Mass Effect-Fan in nostalgischer Erinnerung schwelgen konnte und sich beim Gedanken an das groß angelegte Finale des dritten Teils teilweise noch immer Wutanfälle bekam. Die Geschichte nimmt in BioWares Erzählung im Vergleich zu anderen Rollenspiel-Epen ob des gesamten Aufbaus eine noch prägendere Rolle ein.

Diese erstreckt sich basierend auf unseren Entscheidungen zu Beginn des ersten Teils bis zu den finalen Momenten von Teil 3 auf die eine oder andere Weise. Und soviel sei an dieser Stelle schon einmal vorweg genommen: es gibt eine große Diskrepanz in den Spielen zwischen der eigentlichen Hauptstory und der Geschichte unserer Charaktere!

Alles neu macht Teil 2

Aber der Reihe nach! Gerade haben wir noch mit dem neuen menschlichen Helden der Galaxie Commander Shepard die Citadel vor Saren gerettet, schon sehen wir uns mit der nächsten Gefahr konfrontiert. Die übergeordnete Bedrohung die Saren kontrollierte- die Reaper – stehen gerade erst am Beginn ihres großen vernichtenden Feldzuges und schicken erneut ihre Handlanger aus. Diesmal soll der als Bedrohung für ihr Vorhaben eingestufte Shepard selbst getötet werden. Und das gelingt zu Beginn von Mass Effect 2 sogar indem sie durch ein Schiff der Insekten-artigen Kollektoren die Normandy auseinandernehmen.

Die Reaper und ihre Handlanger haben jedoch die Rechnung ohne die beste, schönste und überhaupt tollste Rasse der gesamten Galaxie gemacht – die Menschen. Angeführt vom namenlosen Unbekannten birgt die private, menschliche Söldner-Organisation Cerberus den Leichnam Shepards, belebt unseren gefallenen Soldaten im Rahmen des Projekt Lazarus innerhalb von 2 Jahren wieder zum Leben und baut währenddessen auch die Normandy noch einmal komplett aber verbessert nach. Als Austausch für unser Leben sollen wir mit Shepard dem Unbekannten helfen und eine gefährliche Mission annehmen, die nur unser Super-Soldat übernehmen kann.

Anders als der Rat der Citadel glaubt der Unbekannte nämlich den Erzählungen Shepards und will die bevorstehende Reaper-Invasion ebenso im Keim ersticken, noch bevor diese überhaupt wirklich gestartet ist. Dafür sollen wir einen Trupp aus ausgewählten Elite-Kämpfern zusammenstellen und als quasi Selbstmordkommando mit dem Omega-4-Massenportal in die Welt der Kollektoren reisen um die Reaper zu besiegen. Weil uns bis auf Cerberus sowieso der ganze Rest der bekannten Welten für tot hält und wir mit den schier unendlich scheinenden finanziellen Mitteln des Unbekannten die besten Erfolgsaussichten für unser Vorhaben besitzen, nehmen wir den Auftrag gleich ohne große Überlegung an.

Mass Effect Legendary Edition Test

Der Unbekannte ist einer der mysteriösesten Charaktere im Mass Effect-Universum | Quelle: www.ea.com

Planeten-Hopping

Also durchstreifen wir fortan eine Reihe von neuen Planeten um unseren Roster zusammenzustellen. Unsere Reise führt uns zu unterschiedlichen Locations wie etwa die Omega-Kolonie, welche von der skrupellosen Asari Aria T’Loak kontrolliert wird und deren zivile Slum-Bezirke von einer mysteriösen Krankheit geplagt werden. Als Kontrast zu diesem tristen Ort machen wir auch einen Abstecher in die von Asari geführte Welt Illium, die von sonnengefluteten Panoramen durchtränkt und von bis in die Wolken hinauf ragenden Hochhäusern durchzogen ist. An oppulenten Schauplätzen mangelt es dem Mittelteil der Reihe also nicht.

Während der Vorgänger mit Schauwerten maximal in Cutscenes glänzen konnte, besticht Mass Effect 2 dadurch auch ingame regelmäßig. Einziger Wehrmutstropfen bleibt die heruntergefahrene Kulisse der schon aus dem Erstling bekannten Citadel. Die Begehung dieser wurde auf ein paar wenige Räumlichkeiten heruntergedampft und findet erst im finalen Teil wieder die gebührende Wertschätzung durch diverse Locations wie Bars, Märkte, eine Krankenstation oder durch einen prall gefüllten Raumhafen.

Am Ende von Mass Effect 2 gelingt es der Gruppe auf jedem Fall – wenn auch unter schweren Verlusten – die Kollektoren aufzuhalten. Die Bedrohung durch die nahende Reaper-Invasion konnte damit jedoch abermals nur hinausgezögert werden. Die Freude über den erkämpften Sieg währt nur kurz.

Friede, Freude, Eierkuchen

Denn bereits zu Beginn von Teil 3 machen die übermächtigen Reaper mit der Menschheit kurzen Prozess, greifen die Erde an und belagern diese im Kollektiv mit ihren Bodentruppen. Mein Commander Shepard kann dieser direkt ausgesetzten Bedrohung nur ganz knapp entkommen und es liegt nun abermals und entgültig an ihm, den Maschinenwesen Einhalt zu gebieten. Als Spiegelbild zum zweiten Part der Reihe ist es nun unsere Aufgabe, so viele Unterstützer für einen finalen Schlag gegen die Reaper bei den ebenfalls aufgeriebenen Alien-Rassen zu mobilisieren.

Gemäß unseren Entscheidungen in den bisherigen Teilen stehen uns hier andere Optionen zur Verfügung. Beispielsweise konnte ich meinen Kroganer-Kumpel Wrex in Mass Effect 1 retten und dieser tritt daher auch im dritten Teil erneut auf den Plan. Wurde dieser in der Konfrontation zuvor jedoch erledigt, verhält sich der damit zusammenhängende Story-Abschnitt in Mass Effect 3 anders. In einer finalen Schlacht auf der Erde am Ende der Trilogie gelingt es unserem Helden den Reapern ein für alle Mal Einhalt zu gebieten. Die Galaxie ist gerettet. Friede, Freude, Eierkuchen und alle sind zufrieden, oder? Nicht ganz!

Story aus dem Marvel-Cinematic-Universe

Im Abspann von Mass Effect 3 hätte auch gut und gerne “und sie lebten zufrieden und fröhlich bis ans Ende ihrer Tage” stehen können. Als ich an dieser Stelle angelangt bin, kann ich so ein wenig nachvollziehen, warum viele Fans damals im Jahr 2012 wahnsinnig enttäuscht vom Ende gewesen sind. Denn obwohl mich die Spiele über alle Teile hinweg gepackt und in diese Welt eingesogen haben, bleibt am Ende doch ein fader Beigeschmack zurück. Es ist dieses von vielen Seiten erwähnte Gefühl, dass meine eigenen Taten am Ende für das große Ganze gar keine gewichtige Rolle gespielt haben.

Commander Shepards Story ist vorgezeichnet – von dem Moment an, als ich Mass Effect 1 das erste Mal mit meinem Charakter gestartet habe bis zu den finalen Atemzügen der Trilogie. Der Ausgang der Konfrontation mit den zuvor als übermächtige Gegner präsentierten Reapern unterscheidet sich je nach Handlugnsverlauf zwar schon – jedoch je nach Ende nur marginal. BioWare hat es über mehrere Games hinweg geschafft eine zusammenhänge Story zu erzählen, auf welche ich tragenden Einfluss habe. Nur ganz am Ende, am Punkt auf den alles 3 Teile lang hinausgelaufen ist, schaffen sie es nicht die Fäden zusammenzutragen, einen befriedigenden Abschluss für mindestens 65 Stunden Spielzeit zu bieten.

Eine Anmerkung noch an dieser Stelle zur Bedrohung der Reaper im allgemeinen: die Roboter-Rasse wird während der ersten zwei Teile als übermächtige Macht aufgebaut, in deren Reihen nur ein einziges Schiff wie die Sovereign ausreicht um einen ganzen Planeten einzunehmen. In Teil 3 sehen wir nicht nur, dass anscheinend deutlich mehr Individuen notwendig sind um eine ganze Stadt wie London einzunehmen. Auch wird ein einzelnes Schiff gar nicht mehr als DIE große Bedrohung wahrgenommen.

In Mass Effect 3 müssen wir uns als Shepard im Verlauf der Story doch mehreren Maschinen einzeln stellen und schaffen es jedes Mal nahezu als einzelne Person das gigantisch Ding zu überwältigen. Mal verwenden wir dafür einen übergroßen Dreschschlund der sich um den Reaper kümmert, mal bedienen wir uns eines Lasers der aus dem All auf den Roboter feuert. Anscheinend ist gegen unseren Commander einfach kein Kraut gewachsen. Enttäuschend ist auch, dass wir die meiste Zeit gar nicht gegen die Reaper an sich kämpfen sondern nur gegen Horden von korrumpierten Gegnern, die wir natürlich in Massen wegballern wie die Fliegen.

Eine waschechte Bedrohung sieht meiner Meinung nach anders aus. Das haben sich anscheinend auch die Entwickler selbst gedacht, sonst hätten sie den kompletten Mittelteil ein wenig anders strukturiert. Offensichtlich steht uns am Beginn von Mass Effect 3 ein Rennen gegen die Zeit bevor: können wir noch alle Kräfte vereinen und mobilisieren bevor die Reaper die Erde im wahrsten Sinne des Wortes dem Erdboden gleich machen? Klar, da haben wir noch genug Zeit um zuvor noch auf der Citadel 20 profane Nebenquests zu erfüllen. Ein wenig haut einen das schon aus der gesamten Dramaturgie heraus.

Mein Problem an diesem gesamten finalen Akt ist hier gar nicht konkret der Ausgang an Sich – es war klar, dass Shepard am Ende die gesamte Galaxie fast im Alleingang vor dem Untergang retten wird – sondern die Entscheidung für dieses Story-Element an sich. Mass Effect steht seit 2007 für eine nachvollziehbare, nahezu echt anmutende Welt, in die man sich als Spieler hineinversetzen kann. Das gelingt BioWare vor allem durch eine umfassende Lore, welche die Eigenheiten einer Spezies wie den Hanar bis hin zur wissenschaftlichen Erklärung von Medigel abdeckt. Ein zentrales Element bildet dabei auch der Konflikt zwischen den einzelnen Alien-Völkern untereinander.

Die Geth wurden einst von den Quarianern als Sklaven erschaffen und entschlossen sich irgendwann, sich gegen ihre Unterdrücker aufzulehnen. Die Quarianer wurden als Resultat dieses Konflikts von ihrer Heimatwelt vertrieben, leben seitdem auf ihrer Flüchtlingsflotte zusammen und wollen ihren rechtmäßig zustehenden Planeten zurückfordern. Steht es ihnen nach dieser Zeit noch zu dies mit allen Mitteln durchzusetzen? Sind eventuell sogar die Geth im Recht?

Jetzt am Ende von Mass Effect 3 haben wir mit Legion auf Seite der Geht und Tali auf Seite der Quarianter zwei Mitstreiter aus beiden Lagern kennen- und verstehen gelernt. Wie werden diese Individuen reagieren, in dem Moment als der Admiral der Quarianerflotte die Vernichtung der Geth anordnet. Wie werden wir als Commander Shepard handeln? Greifen wir in diesen uralten, von Hass getriebenen Konflikt ein?

Politik statt Rettung der Galaxie

Situationen wie die eben geschilderte gibt es in Mass Effect 2 und 3 im Rahmen der umfassenden Spielzeit zu genüge. Man könnte auch genauso gut den Konflikt der Kroganer mit den Salarianern um die Genophare heranziehen. Oder das von Misstrauen geplagte Verhältnis der Volos und anderer Alien-Rassen gegenüber den Menschen aufgrund ihrer aggressiven Exansionspolitik. Als Manifestation für diese Spannungen treten in der Reihe konkrete Charaktere auf den Plan. Einige davon schließen sich uns im Rahmen unserer Rekrutierung an, wie etwa die bereits erwähnten Tali’Zorah und der Geth Legion. Andere Beispiele wären etwa der ausgebildete salarianische Genetik-Experte Mordin Solus oder der Drell-Attentäter Thane Krios.

Sie alle sind fantastisch geschriebene, tiefgreifende Charaktere, durch die wir einen Einblick in das politische Gefüge in der Galaxie bekommen. Das ist jener Teil, der Mass Effect von vielen anderen Rollenspielen hervorhebt, nicht die schablonenhafte 0815-Handlung um die Rettung aller Lebewesen vor einer übermächtigen Roboter-Rasse durch einen einzigen Menschen – einen US-Amerikaner. Für einen solchen Plot hätte ich am Ende auch in den 3 stündigen Marvel-Film Endgame gehen können. Dann hätte ich mir (natürlich überspitzt formuliert) über 70 Stunden Spielzeit erspart. An dieser Stelle hat man einfach im Verhältnis zum Potential der Reihe sehr vieles an Möglichkeiten liegen gelassen.

Der Salarianer Mordin wird von Shepard auf Omega rekrutiert. | Quelle: www.ea.com

Herausragende Charakterzeichnung

Ich habe es bereits zuvor angerissen und möchte es nun an dieser Stelle im Detail ausführen – nicht die Story machen Mass Effect 2 und Mass Effect 3 zu guten Spielen sondern die Charaktere die sie ausfüllen. Im Rahmen der Hauptquest von Teil 2 rekrutieren wir wie erwähnt eine Reihe von Spezialisten für unsere Mission die Kollektoren aufzuhalten.

Während dieser eigentliche Job in nahezu allen Fällen recht rasch erledigt ist, stellt der eigentlich interessante Teil lediglich optionalen Content dar, den man unter Umständen auch komplett verpassen kann. Ab einem gewissen Fortschritt in der Handlung werden diese Quests nämlich nicht mehr zugänglich.

Jeder unserer Protagonisten, den Shepard im Laufe seiner Reise rekrutiert, hat so seine ganz eigene persönliche Mission, die er oder sie abseits der übergeordneten Handlung verfolgt. Dem auf Illium dazugewonnenen Drell Thrane können wir beispielsweise auf der Citadel dabei helfen, mit seinem Sohn ins Reine zu kommen, bevor dieser aus dem Leben tritt. Die Asari-Justikarin Samara befindet sich schon sehr lange auf der Suche nach ihrer mordlustigen Tochter Morinth, um diese unschädlich zu machen. Insofern wir sie bei ihrem Vorhaben unterstützen kommt es auf Omega zu einer folgenschweren Konfrontation.

Apropos Omega: im dritten Teil steht uns ebenfalls temporär die bereits erwähnte (und jetzt ehemalige) Herrscherin Aria als Mitstreiter zur Verfügung. Diese will sich ihr abhandengekommenes Reich von den Cerberus-Söldnern – welche mittlerweile wieder gegen uns arbeiten – zurückholen. Durch diese vom Hauptspiel abgenabelten, kompakten 3 Stunden zusätzlichem Content bekommen wir einen noch besseren Eindruck in die Machtverhältnisse und politischen Intrigen dieser Welt und von Aria als Charakter an sich.

Interessantes Detail am Rande: man kann die angesprochenen, weiterführenden Missionen in Mass Effect 2 auch verkacken. Das wirkt sich wiederum auf die Beziehungen Shepards zu ebenjenen Crewmitgliedern aus – teilweise mit fatalen Folgen für den Ausgang des Spiels. Da wir uns auf einem Selbstmordkommando befinden gibt es am Ende von Teil 2 durchaus einige Stellen, an denen manche unserer Mitstreiter sterben können – insofern wir ihre individuellen Sidequests nicht erfolgreich abgeschlossen haben und uns dadurch ihre Loyalität erzockt haben.

Als mir das genau in dieser Situation bei der Asari-Justikarin Samara passiert ist – eben genau weil ich die finale Mission mit ihr vergeigt haben – staunte ich nicht schlecht und war zugleich begeistert. Mass Effect 2 führt den Weg des Vorreiters von 2007 konsequent fort. Unsere Entscheidungen mit Shepard spielen eine gewichtige Rolle – wenn schon nicht für das Schicksal der Galaxie, dann zumindest für das Schicksal unserer engsten Mitstreiter.

Mass Effect Legendary Edition Test der DLCs

Eine Sache schonmal vorne weg: es ist erfreulich, dass bis auf einen DLC (von diesem fehlt leider der Quellcode, weshalb er nicht für die restaurierte Version herangezogen werden konnte) jeglicher zusätzlicher Content in der Legendary Edition verbaut wurde. Download Content zu den Mass Effect-Spielen gab es ja bekanntlich wie Sand am mehr und BioWare bzw. auch EA waren zwischenzeitlich so dreist, für jeden dieser teilweise schwachen Inhalte jeweils knackige 5 Euro zu verlangen. Wer sein Geld damals lieber wo anders angelegt hat, der kommt jetzt eventuell doch noch auf seine Kosten.

Die DLC-Inhalte und dabei natürlich die zusätzlichen Missionen für Mass Effect 2 und 3 gehören nämlich mit zum besten Content der gesamten Reihe. Man muss hier zwar ein wenig aufpassen, sind die Quests teilweise nicht das Gelbe vom Ei. Die Normandy-Absturzstelle-Quest etwa gehört sicherlich nicht zu den Glanzlichtern des zweiten Teils. Auch konnte ich mit der zweiten Hälfte der Leviathan-Erzählung und der großen Enthüllung am Ende nichts anfangen. Auf der anderen Seite entschädigen die besseren DLC-Quests wieder für die wenigen Ausrutscher.

Diese sind auch wieder unmittelbar mit weiteren spielbaren Charakteren unserer Crew verknüpft. Eine meiner liebsten Figuren, die japanisch-stämmige Kasumi Goto etwa wurde dem zweiten Teil erst per DLC hinzugefügt. Die Infiltratorin bietet uns ihre Dienste an, im Austausch sollen wir ihr bei einem prekären Diebstahl unter die Arme greifen. Eine Win-Win-Situation – auch für uns als Spieler weil sich hinter der im Kontrast zum Hauptspiel stehenden Handlung sowie Gameplay auch eine interessante Erzählung verbirgt.

Selbiges gilt für einen weiteren DLC von Mass Effect 2, nämlich Lair of the Shadow Broker. In diesem treffen wir erneut auf unsere alte Freundin aus dem ersten Teil Liara T’Soni und ergründen mit ihr die Geheimnisse rund um den bis dahin mysteriösen, aber allseits präsenten Shador Broker. Auch hier wird wieder das bewährte Gameplay aus dem Hauptspiel durch Detektivarbeit, eine Verfolgungsjagd quer durch Illiums Häuserschluchten und einem finalen Bossfight aufgelockert.

Mit dem vielleicht besten Kapitel der gesamten Saga wartet indes wieder Mass Effect 3 auf. Der sogenannte Citadel-DLC beinhaltet neben neuen Waffen auch die Landurlaub-Questreihe. Diese ist nicht nur in punkto Handlung komplett losgelöst vom Rest des Games und kann sich dadurch einige eigenwillige, aber toll umgesetzte Kniffe erlauben. Während der Grundton des dritten Teils sehr düster ist wartet Shepards und Jokers Urlaub der der Citadel mit jede Menge Witz und Charm auf. Was den Erzähl-Ton betrifft fühlte mich mich sofort an Guardians of the Galaxy erinnert, das ob einer drohenden Gefahr doch ebengleich mit skurrilen Situationen aufwartet.

Was mir im Zuge dieses DLC auch aufgefallen ist: beide Grundspiele sind auf mittlerem Schwierigkeitsgrad doch sehr einfach. Das liegt vor allem an einem mangelnden Waffen-Balancing. Irgendwann im Spiel fand ich das Viper-Präzisionsgewehr und musste seitdem eigentlich nie mehr großartig auf ein anderes Gewehr umsteigen, geschweige denn auch in Unterzahl-Gefechten oft die Deckung suchen. Das dies aber auch anders geht, bewies am Ende dann doch der besagte Citadel-DLC. Neben neuen Gegner-Varianten zog auch der Schwierigkeitsgrad an, weshalb ich gezwungen war, die Cover-Mechanik des Third-Person-Shooters dann doch wieder öfter zu nutzen.

Drell-Attentäter Thane schließt sich der Gruppe auf Illium an. | Quelle: www.ea.com

Mass Effect Legendary Edition Test Fazit Part II

Mass Effect 1 legte damals 2007 den Grundstein für eine wahrhaftig epische Science-Fiction-Reihe aus dem mittlerweile krisengebeutelten Hause BioWare. Die beiden Nachfolger bauten erfolgreich auf diesem Fundament auf und konnten in Punkto Produktionwert und den Kern-Spielmechaniken noch eine Schippe drauf legen. All diese Aspekte spiegeln sich nun auch in der restaurierten Mass Effect Legendary Edition wieder.

Während der erste Teil noch damit punkten kann, dass er speziell auf technischem Niveau noch einmal von den Entwicklern aufgebessert wurde, müssen Mass Effect 2 und 3 im Jahr 2021 mit anderen Vorzügen glenzen und können das auch tun. In meiner persönlichen Wertung hat am Ende der Mittelteil der Trilogie ganz knapp die Nase vorne. Auch, weil dieser noch am ehesten der Teil ist, wo unsere Entscheidungen mit Shepard im Spiel direkte Auswirkungen auf den weiteren Verlauf und im Finale sogar auf den Ausgang des Games haben.

Insgesamt betrachtet stellt die Mass Effect Legendary Edition aber ein Gesamtwerk dar, welches ich nur jedem ans Herz legen kann der bisher noch keine Berührungspunkte mit der Reihe hatte. Wer generell auf Rollenspiele steht oder einfach nur in eine gut geschriebene, nahbare Science-Fiction-Welt eintauchen will, der findet in BioWares Saga eine fantastische Möglichkeit. Auch Fans der ersten Stunde werden mit der Trilogie erneut ihre wahre Freude haben – besonders auch dann, wenn man durch eventuell noch nicht bekannte zusätzliche, fantastische DLC-Inhalte erstmalig und in neuem Glanz erleben kann.

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