Metal Gear Solid V: Ground Zeroes (PS3) im Test

von Ben Vollmann 29.03.2014

Manche Dinge ändern sich nie. Es wird immer TerroristInnen geben, die es schaffen, in den Besitz eines mit Nuklearsprengköpfen bestückten Panzers auf Beinen zu kommen, um damit die freie Welt in Atem zu halten. Genauso wird es immer einen bandanatragenden Helden geben, der sich still und heimlich in ihre Basis schleicht und den metallenen Koloss bezwingt. Die dritte Konstante ist Hideo Kojima, denn egal, wie oft der mittlerweile 50-Jährige versucht, sich aus der Entwicklung der Metal Gear-Reihe zurückzuziehen und Snake in Frieden ruhen zu lassen, es will ihm nicht so recht gelingen.

Und so wundert es auch nicht, dass er sich nach dem (vorläufigen?) Ende von Solid Snakes Geschichte in Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots  mit Metal Gear Solid V wieder dem genetischen Urvater der Serie – Big Boss – zuwendet. Da es aber erfahrungsgemäß noch dauern kann, bis wir mit Metal Gear Solid V: The Phantom Pain das erste Mal in den Genuss eines Open-World-Metal Gear-Games kommen, hat Kojima sich entschlossen, uns die Wartezeit mit Ground Zeroes, dem spielbaren Prolog zu The Phantom Pain, zu verkürzen.

„Kept you waiting, huh?“

Die Story von Metal Gear Solid V: Ground Zeroes spielt ein Jahr nach dem Ende der Ereignisse von Metal Gear Solid: Peace Walker in einer kubanischen Militärbasis namens Camp Omega. Naked Snake alias Big Boss macht sich in bester Stealth-Manier allein in die Basis auf, um Paz und Chico zu befreien, die dort von einem Cowboyhutträger mit verbranntem Gesicht festgehalten werden, der passenderweise auf den Namen „Skull Face“ hört. Just in dem Moment, als Snake im strömenden Regen die Klippen am Rande des Camps erklimmt, verlassen der mysteriöse Mann ohne Gesicht und seine XOF-Soldaten gerade via Helikopter die Szene. So weit das Setup. Nun ist es an euch, Camp Omega zu infiltrieren und sowohl Chico als auch Paz wohlbehalten zurück zur Mother Base zu bringen. Per Codec werdet ihr bei eurer Mission von Snakes engstem Vertrauten, Kazuhira „Kaz“ Miller, unterstützt.

Was Metal Gear-KennerInnen sofort auffällt, ist der Verzicht auf die konstante Unterbrechung des Gameplays durch langatmige Cut-Scenes und endlose Codec-Gespräche. Habt ihr erst einmal den einleitenden Storypart hinter euch, braucht ihr die Finger bis zum Abspann kaum mehr vom Controller zu nehmen. Zugegeben, bei einer Spielzeit von an die zwei Stunden mag das nicht wie eine große Leistung erscheinen, wer aber weiß, wie lange man normalerweise in einem Metal Gear-Game ohne massive Unterbrechung zum Spielen kommt, wird Kojimas Zurückhaltung in Sachen Exposition zu schätzen wissen. Auch das Codec-System wurde dahingehend überholt. Um Millers Rat einzuholen, müsst ihr kein Menü aufsuchen, das den Spielfluss pausiert, stattdessen könnt ihr ihn jederzeit per Druck auf die L2-Taste anfunken.

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„What took you so long?“

Ein Facelift beim Gameplay sorgt dafür, dass diese Zurückhaltung sich auch wirklich auszahlt. Selten hat Stealth so viel Spaß gemacht und ging so leicht von der Hand wie in Ground Zeroes. Zum einen liegt das daran, dass die Fox Engine viel Raum für kreative Vorgehensweisen bietet, denn im Gegensatz zu den von Ladebildschirmen getrennten Arealen in Metal Gear Solid 4 kommt Ground Zeroes dank der neuen Engine ganz ohne Unterbrechungen aus: Die gesamte Basis ist eine zusammenhängende Open-World-Map, in der ihr euch frei bewegen könnt. Zum anderen wurde auch kräftig an den Gameplaysystemen und der Steuerung geschraubt. Via Fernglas können Feinde markiert werden, damit ihr sie selbst durch Wände hindurch im Auge behalten könnt. Wird dennoch einmal eine der Wachen auf euch aufmerksam, seht ihr das an einem Kreissegment, dessen Helligkeit und Position euch über den Alarmierungsgrad und den Standort des Problemmachers informiert. Sollten alle Stricke reißen und ein übereifriger Soldat sieht euch aus nächster Nähe, gibt es immer noch den Reflex-Mode – eine Art Zeitlupe, in der ihr den Gegner noch erledigen könnt, ohne dass ein Alarm ausgelöst wird.

Steuerungstechnisch hat Big Boss ansonsten so ziemlich die gleichen Tricks drauf wie Old Snake. Lediglich die Möglichkeit, sich aus dem Robben über einen Vorsprung nach unten zu schwingen, und der superlangsame, leicht sexuell anmutende Kriechmodus fehlen. Abgerundet wird das Ganze durch kleine, aber feine Verbesserungen bei der Shootersteuerung und beim Coversystem, das sich organischer und weniger „sticky“ anfühlt als je zuvor. All diese Entwicklungen zeugen davon, dass Kojima sich nicht davor scheut, sich von westlichen Games wie GTA V oder The Last of Us inspirieren zu lassen.

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Nach einer kurzen Phase der Eingewöhnung, in der euch Kaz die Steuerung näherbringt, wird dann auch deutlich, warum der Vergleich mit Grand Theft Auto, dem „King of the Sandbox“, so passend ist. Während der Wind euch den Regen um die Ohren peitscht und ihr vor dem gleißenden Scheinwerferlicht hinter einem Felsen in Deckung geht, wird euch plötzlich klar, dass ihr diesmal wirklich völlige Freiheit genießt – „Rescue Chico and Paz“ –, das Wie bleibt euch überlassen. Ob ihr leise wie ein Ninja unbemerkt in die Basis eindringen, Fahrzeuge stehlen, alle Wachen lautlos ausschalten oder euch C4 besorgen und so für Chaos sorgen wollt; es gibt unzählige Wege, um ans Ziel zu kommen. Dass das Ziel aber trotz all dem recht schnell erreicht ist, sollte nicht unerwähnt bleiben. Wie Kojima jedoch schon in verschiedenen Interviews erklärt hat, ist Ground Zeroes ein Spiel, das man immer wieder spielen kann. Die Spielzeit sollte demzufolge nicht nach einem einzelnen Playtrough gemessen werden (dieser ist nach knappen zwei Stunden zu Ende), sondern nach den vielen Anläufen, die ihr brauchen werdet, um dem Spielplatz die verschiedenen Herangehensweisen, Features und Items zu entlocken (dafür sollte man schon gute zehn Stunden einkalkulieren).

„Not yet Snake! Itʼs not over yet!“

Nach Beendigung der Hauptmission schaltet ihr zusätzlich zur Hauptmission noch vier weitere Missionen frei, die allesamt im Camp Omega spielen. Die Missionen unterscheiden sich durch Witterung, Tageszeit und Auftrag voneinander. So müsst ihr zum Beispiel einmal zwei Vietnamveteranen ausschalten und ein anderes Mal einem VIP aus dem Helikopter heraus Feuerschutz geben. Neben weiteren Schwierigkeitsgraden könnt ihr für jede der Missionen verschiedene Challenges und Bonuswaffen freischalten. Ein absolutes Highlight ist die Plattform exklusive „geheimer“ Bonusmission, bei der vor allem Fans auf ihre Kosten kommen.

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Alles in allem ist Metal Gear Solid V: Ground Zeroes auch als „bloßer“ zwei Stunden langer Prolog für das richtige Metal Gear Solid V zum doch recht saftigen Preis von 20 (Download) bzw. 30 Euro (Retail) immer noch empfehlenswert. Grafisch überzeugen sowohl die PS3- als auch die PS4-Version. Auf der PS3 sieht man zwar stellenweise, dass die Konsole an ihre Grenzen stößt, trotzdem ist es beeindruckend, was die Engine noch aus der inzwischen sieben Jahre alten Hardware herauskitzelt. Im Gegensatz dazu sorgt die PS4-Fassung für offene Münder. Wer seine FreundInnen visuell beeindrucken will, findet in Ground Zeroes ein perfektes Game, um die Grafikmuskeln von Sonys Next-Gen-Konsole so richtig spielen zu lassen. Bis auf die Tatsache, dass man den spielbaren Prolog zu Metal Gear Solid V kaufen muss, erinnert er frappierend an die Demo zu Metal Gear Solid. Genau wie es 1998 die Demo-Disc zu Snakes 3D-Debüt war, ist Ground Zeroes ein Teaser für ein Metal Gear-Game, das eine Art von Freiheit verspricht, die in Videospielen sehr selten ist.

Nach Metal Gear Solid 4, das unter dem Gewicht der vorhergehenden Teile, den angestaubten Gamplaykonventionen und der verworrenen Geschichte zu ersticken drohte, ist Ground Zeroes genau das, was die Serie braucht: ein Befreiungsschlag, ein Neuanfang; der Vorgeschmack auf etwas ganz Großes. Ob es Hideo Kojima gelingt, dem Vertrauens- und Finanzvorschuss gerecht zu werden, und The Phantom Pain hält, was der Prolog verspricht, wird wohl nur die Zeit zeigen.

Wertung: 8.5 Pixel

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