Zugfahrt durch die Gefühlsachterbahn – Blackwood Crossing im Test

von Marianne Kräuter 11.07.2017

Alles einsteigen, alles einsteigen! Der Zug “Blackwood Crossing” in Richtung Vergangenheitsbewältigung fährt in einer Minute ab. Unsere nächsten Halte sind: Verdrängung, schemenhafte Erinnerungen, ominöse Methaphern und Traurigkeit. Wir bedauern es, Sie bei uns begrüßen zu dürfen und wünschen Ihnen eine schwermütige Fahrt!

Fahrt ins Ungewisse

In Blackwood Crossing, das in seiner Dauer wie auch seiner Spielweise einem interaktiven Film nahekommt, übernehmen wir die Rolle der Teenagerin Scarlett. Was als recht normale Zugfahrt beginnt, entpuppt sich immer mehr als surrealer und beunruhigender Traum, in dem das Mädchen vergangene tragische Ereignisse verarbeitet.

Viel mehr möchte ich zur Geschichte nicht verraten, deren Wendungen und Überraschungen einen großen Reiz des Spiels ausmachen. Was ich jedoch sagen kann, ist, dass mich die Handlung ein wenig enttäuscht hat. Während ich gleich zu Beginn gespannt war, welches Geheimnis hinter der präsentierten Traumfassade steckt, war das Ende zu vage, um meine Neugier zu befriedigen.

blackwood crossing

Scarlett im Wunderzug

Das simple Gameplay besteht hauptsächlich darin, unseren kleinen Bruder Finn zu suchen und kleine Aufgaben oder Rätsel zu erfüllen, um ihn wiederzufinden. Wir laufen (quälend langsam) durch die Zugwaggons und später auch andere Umgebungen, sprechen maskierte Leute an, inspizieren ausgewählte Gegenstände oder stecken diese vorläufig ein, um sie zum gegebenen Zeitpunkt an einen anderen Ort zu bringen.

Offensichtliches Highlight ist die fantasievolle Gestaltung der Spielwelt: Öfters kam ich ins Staunen, wenn der Zug seine surreale Natur offenbarte und plötzlich ergrünte oder in vollkommen neue Areale führte. In der Umgebung verstecken sich außerdem viele liebevolle Details: Die verstreuten persönlichen Gegenstände, der halbabgeblätterte Nagellack auf Scarletts Fingern sowie die detailliert gearbeiteten Tiermasken der Zugpassagiere. Besonders gefallen hat mir, wie die Druckerschwärze des für die Pappmaschee-Schweinchenmaske verwendeten Zeitungspapiers unter der rosa Farbe hervorscheint. Auch der stimmige Soundtrack trägt zur leicht melancholisch-gruseligen Atmosphäre bei.

blackwood crossing

Aufgrund einer technischen Störung…

Diese Atmosphäre wird leider durch ein paar technische Gebrechen und spielerische Limitationen immer wieder gebremst. Scarlett bewegt sich sehr langsam und etwas ruckelig, fast als würde sie stets von etwas Unsichtbarem zurückgehalten werden. Darüber hinaus kann man fast ausschließlich nur mit Gegenständen interagieren, die für den Spielfortschritt relevant sind. Hier hätte ich es schön gefunden, einfach mehr Dinge betrachten zu können und Scarletts Kommentare dazu zu hören. Und selbst das Interagieren mit dafür bestimmten Gegenständen ist gar nicht so einfach: Der Bereich, in dem man sich befinden muss, damit ein entsprechendes Interaktionssymbol auftaucht, ist oft ungewöhnlich klein oder erscheint nur, wenn man sich von einer bestimmten Seite näher.

blackwood crossing

Weiters wirken die Animationen der Spielfiguren steif und abrupt und auch die verwaschenen Texturen der Spielwelt sind bei Weitem nicht mehr zeitgemäß.

Endstation

Blackwood Crossing ist ein Walking Simulator mit interessanter Prämisse, einer bezaubernden Spielwelt und viel Liebe zum Detail, der jedoch letztendlich durch sein holpriges Gameplay, einige technische Schwächen und einem zu unkonkreten Ende sein Potential nicht auszuschöpfen vermag.

Um bei der Zugmetapher zu bleiben: „Blackwood Crossing“ hat das Ende seiner emotionalen Fahrt erreicht; die Augen der meisten Passagiere blieben trocken.

Wertung: 7 Pixel

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