Viking (Blu-ray) im Test – Blutrache auf Russisch

von Matthias Jamnig 29.05.2017

Ein durchaus beachtlicher Box-Office-Erfolg in Russland und eine Alternative zu stereotypischen Hollywood-Produktionen – das war so in etwa mein Vorwissen zu Viking. 142 Minuten später habe ich nun Gewissheit: Der heimische Kinoerfolg des russischen Historienfilms ist durchaus nachvollziehbar, um sich aber international mit den US-Blockbustern messen zu können, reicht es noch nicht.

Viking

Kompakt – Die Fakten

  • Darsteller: Danila Kozlowski, Svetlana Khodchenkova, Maksim Sukhanov
  • Regisseur: Andrei Kravchuk
  • Budget: 19,2 Millionen US-Dollar
  • FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
  • Studio: Splendid Film/WVG
  • Erscheinungstermin: 28. April 2017
  • Produktionsjahr: 2016
  • Spieldauer: 142 Minuten

Überladen – Die Story

Den Rahmen für die Geschichte von Viking bildet die Kiewer Rus, ein mittelalterliches Großreich, im 10. Jahrhundert. Als vorrangiger roter Handlungsfaden dient der Zwist zwischen den Söhnen des verstorbenen Königs von Novgorod. Zwischen Prinz Yaropolk und seinem Bruder Oleg kommt es im Zuge dessen zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, die zum Tode Olegs führt – und Yaropolk wird von dem Krieger Sveneld dafür verantwortlich gemacht. Sveneld macht sich auf, um zum verbleibenden Sohn Vladimir zu reisen und für das Gesetz der Blutrache zu kämpfen: Ein Tod für einen anderen. Vladimir hingegen ist an einer friedlichen Lösung interessiert, kann sich ohne militärische Verstärkung aber keinen Respekt verschaffen. Er stellt eine Armee aus Wikingersöldnern zusammen. Er muss jedoch bald feststellen, dass es mehr Schwerter braucht, um den Frieden aufrecht zu erhalten, als um Kriege zu führen.

Klingt vielversprechend? Ist es auch. Denn das erzählerische Grundgerüst der Filmhandlung wäre überaus spannend. Aber leider ist da dieser Konjunktiv “wäre”. Denn tatsächlich schmückt die an und für sich simple Rachegeschichte soviel Beiwerk, dass Viking selbst bei einer Laufzeit von deutlich über zwei Stunden massiv überladen wirkt. Es bleibt neben dem Zwist der streitenden Parteien, dem Konflikt der Religionen, der unzähligen beteiligten Volksgruppen und den blutigen Schlachtszenarien kaum Zeit, um einzelne Charaktere in Szene zu setzen. Selbst die namensgebenden Wikinger stellen beinahe nur eine Randnotiz dar. Viking greift in einem Film soviele Themen und Geschichten auf, dass dem Publikum schwindlig wird. Die verfilmte Story bietet genug Material für einen Mehrteiler oder eine Serie. In Kinofilmformat gepresst überfordert die rasante Abfolge von Szenen, Gestalten und Momenten aber weit über das verträgliche Maß.

Authentisch – Drehorte und Kostüme

Diesem Umstand stehen viele durchaus positive Qualitäten gegenüber. Zum Beispiel sind die Drehorte sehr gut gewählt. Die russische Landschaft bildet einen wildromantischen Rahmen für Viking – schneebedeckte Wälder, weite grasbewachsene Ebenen und windumtoste Gestade. Auch der Nachbau des mittelalterlichen Kiew wirkt authentisch und schmiegt sich als hölzerner Moloch an einen Hügel. Dasselbe Wort beschreibt auch die Kostüme. Denn zumindest die Garderobe der handlungstreibenden DarstellerInnen vermittelt ebendiese Authentizität. Mit abnehmender Wichtigkeit der Personen nimmt jedoch auch die Qualität der Kostüme etwas ab. Aber alles in allem zeigt Viking in diesem Aspekt eine seiner prägendsten Stärken.

Grundsolide – DarstellerInnen und Soundtrack

Ebenfalls auf dem Pluspunktekonto verbuchen lässt sich die Qualität der SchauspielerInnen. Hier kommt besonders die eingangs erwähnte Alternative zu Hollywood zum Tragen. Denn Viking kultiviert einen etwas roheren Spielstil als die aalglatten US-Produktionen. Und das kommt einem Film dieses Genres wenig überraschend sehr zugute. Zwar leiden diese Qualitäten ein wenig unter der Übertragung ins Deutsche, aber leider haben hier Nicht-Russisch-Sprechende keine wirkliche Wahl. Das heißt nicht, dass die deutsche Sprachausgabe schlecht wäre. Das ist sie nämlich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass der russische Originalsound einfach in Sachen Abgrenzung zu gewohnten Blockbustern ein Schäuferl nachlegen würde.

Apropos Sound. Oben heißt es “wildromantischer Rahmen” – Zu diesem trägt auch der Soundtrack bei. Denn dieser ist wohl die größte Stärke des historischen Abenteuers. Zugleich hebt sich Viking hier aber auch am allerwenigsten von bekannten Westproduktionen ab. Die gewählte Musik ist nämlich genretypisch – aber sie ist eben sehr gut gewählt. Der epische Sound fügt sich sehr schön ins Gesamtbild und nimmt dem Film zumindest gelegentlich die Hektik der rasanten Szenenabfolge.

Mein Fazit zu Viking

Viking ist ein Versprechen für die Zukunft des russischen Films. Denn in Grundzügen hat Andrei Kravchuks Regiearbeit alles, was ein (im Westen) erfolgreicher Blockbuster braucht. Am Ende des Tages will der Historienstreifen aber zuviel. Der Konflikt der Religionen – der am Ende obendrein für mein Dafürhalten einen etwas zu missionarisch-christlich Beigeschmack hat -, die unzähligen Volksgruppen und die vielen Schlachten, das alles überfordert mich als Zuseher. Es wird so vieles angerissen, dass am Ende die Haupthandlung und auch deren Protagonisten erzählerisch auf der Strecke bleiben. Die Geschichten der Viking zugrundeliegenden Nestorchronik und der nordischen Königssagas böten genug Material für unzählige Filme. Alles in einen überlangen Kinostreifen packen zu wollen, kann – trotz aller erwähnten Qualitäten – daher einfach nicht gut gehen.

Wertung: 6.5 Pixel

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