Mortal Kombat X (PS4) im Test

von postbrawler 21.05.2015

MortalKombatX_Teaser

Manche Spielerlebnisse waren früher ganz anders: Prince of Persia oder Alone in the Dark zum Beispiel. Da freue ich mich umso mehr, dass andere Spiele behutsam modernisiert und zugleich mit dem nötigen Respekt für das schwere Erbe des Franchise ins 21. Jahrhundert gehoben werden. Wobei „behutsam“ in diesem Fall wohl der falsche Begriff ist.

Mortal Kombat war bereits zu Zeiten, als Köpfe noch aus maximal vier Pixeln bestanden, nichts für Zartbesaitete. Wer nicht insgeheim schon in den frühen Neunzigern mit Scorpion und Co. Häupter rollen, Körper grillen oder Herzen ausbluten ließ (stets auf der Hut, dabei nicht von InformatiklehrerInnen erwischt zu werden), kann die Sympathie wohl nur schwer nachvollziehen, die ich und viele andere für diesen stumpfsinnigen, geschmacklosen und völlig übertriebenen Splatter-Spaß empfinden.

Mortal Kombat X ist wie seine unzähligen Vorgänger ein Prügelspiel der alten Schule: zweidimensional, leicht zu lernen, jedoch nur schwer zu meistern. Bereits der erfolgreiche Reboot der Serie, der schlichtweg den Namen Mortal Kombat trug, war gespickt von diesen Kindheitserinnerungen: Beinfeger, Uppercut, Tomatensaft und „FINISH HIM“!

The New Generation

Anders als der direkte Konkurrent Street Fighter setzt die Mortal Kombat-Serie nicht nur auf einen kompetitiven und präzise ausbalancierten Multiplayer-Teil, sondern auch auf eine packende Einzelspielerkampagne, um den liebevoll gestalteten und facettenreichen Charakteren eine angemessene Bühne zu bieten. Dank Unreal-Engine effektvoll in Spielegrafik inszeniert, führt die Handlung die packende Geschichte des Vorgängers fort und stellt erstmals auch völlig neue Gesichter vor.

Im Zentrum der Handlung steht die nächste Generation: Cassie Cage, die Tochter von Johnny und Sonja, eine militante Teenie-Special-Ops-Kommandantin; Takashi Takeda, der Sohn des blinden Ninjitsu Kenshi; Kung Jin, der Urenkel der Shaolin-Legende mit dem Rasiermesserhut, Kung Lao; und Jacky Briggs – erraten: die Tochter des kybernetisch verbesserten Boxers Jaxx. Auch die alten Haudegen spielen, deutlich gealtert, aufseiten des irdenen Schutzpatrons Raiden tragende Rollen. Nach dem Sturz des Imperators Shao Kahn ringen die RebellInnen rund um dessen Tochter Mileena mit dem aztekischen Halbgott Kotal Kahn um die Herrschaft der Außenwelt. Doch auch der finstere Zauberer Quan Chi schmiedet mit seiner Armee untoter Erdenkrieger finstere Pläne und plant die Wiederauferstehung des alten Gottes Shinnok. Das kann ja heiter werden, denn altbekannte HeldInnen wie zum Beispiel Johnny Cage, die Schmalzlocke mit der Extraportion Ego, sorgen im sonst so düsteren Setting von Mortal Kombat X mitunter für eine frische Brise Humor. Die Geschichte unterhält für knapp zehn Stunden mit rasantem Tempo, unerwarteten Wendungen und einem Recken, der die testosterongeladene Machoattitüde der Serie mit einem mutigen Outing unterläuft (Kommentar von Max Hohenwarter zum Outing).

Generell scheinen sich die MacherInnen rund um Mastermind Ed Boon in diesem Teil der gendergerechten Präsentation verschrieben zu haben: Neben pazifistischen Ninjagroßmeistern, sensiblen Vater-Sohn-Beziehungen und verhältnismäßig zweckmäßig gekleideten weiblichen Protagonistinnen darf sogar der berüchtigte Johnny seine weiche, familiäre Seite zeigen. Das steht dem Spiel nicht schlecht zu Gesicht und verleiht der Handlung auch eine gewisse Glaubhaftigkeit. Um nicht allzu melodramatisch zu werden, darf die Riege der BösewichtInnen rund um Kotal Kahn mit einer knallbunten Mischung aus Menschenechse, Cowboy und Master-Blaster, äh, Verzeihung, Ferra/Torr tief in die Faschingskostümkiste greifen.

Multiplayer

Aber nun genug von der tollen Kampagne – ihr wollt sie schließlich auch noch selbst erleben. Kommen wir zum Multiplayer-Teil des Spiels. Neben komplett neuen Charakteren haben sich die MacherInnen bei den Netherrealm Studios diesmal auch noch pro Charakter ein dreifaches Ausprägungssystem überlegt. Man kann den guten, alten Scorpion je nach Vorliebe als zündelnden Feuerteufel, schwer bewaffneten Schwertkämpfer oder geschickten Allrounder spielen, was sich vor allem auf einige Special Moves auswirkt. Ob sich diese Neuerung stark auf das Balancing auswirkt, kann ich als Noob (nicht Saibot) nur schwer beurteilen, aber es bringt zumindest mehr Abwechslung und Spieltiefe, und das ist ja an sich nichts Schlechtes.

Auch neu ist, dass man sich zu Beginn der Karriere für eine aus fünf „Factions“ entscheidet, die man anschließend im Kampf vertritt und für die man Punkte sammelt. Für die nach Punkten führende Faction ergeben sich diverse Boni im Spiel, die sich dann beispielsweise auf die Krypta (die begehbare DLC-Grabstätte) oder verschiedene Challenge-Modi, „Towers“ genannt, auswirken. Darin kann man zum Beispiel alternative Kostüme oder Fatalities sammeln. Nun darf man sich von einem Mortal Kombat natürlich kein auf eSports getrimmtes Balancing-Meisterwerk vom Schlag eines Street Fighter erwarten, aber zumindest bieten – um die Wartezeit auf Letztgenanntes zu überbrücken – Faction-War, der Online-Multiplayer und der ZuschauerInnen-Modus jede Menge Kurzweiliges.

Präsentation

Aus grafischer Sicht ist Mortal Kombat X wie sein Vorgänger eher zweckmäßig als opulent. Die Unreal Engine 3, die ja noch für die alte Konsolengeneration entwickelt wurde, kann in puncto Gesichtsanimationen, Texturen und Beleuchtung nicht mit Next-Gen mithalten. Schade eigentlich, waren doch die ersten Mortal Kombat-Teile für ihre „fotorealistische“ Optik bekannt und beliebt. Ich würde mir ein Mortal Kombat wünschen, dass an den Ankündigungstrailer von X erinnert, in dem sich Scorpion und Sub Zero in einem verschneiten Wald prügeln. Bis dahin werden aber wohl noch ein paar Generationen des Spiels ins Land ziehen.

Fazit

Summa summarum hatte ich wie mit dem Reboot auch mit dem neuesten Teil der Serie meinen Spaß, allerdings mehr wegen der Singleplayer-Kampagne als wegen des Versus-Gameplay. Optisch wäre definitiv mehr möglich gewesen, doch auch so kommen die brutalen „Finishing Moves“ grausam-schön zur Geltung. Wenn ihr mit den im Test erwähnten Änderungen bzw. Neuerungen kein Problem habt und auf der Suche nach einem Prügler seid, so kann ich euch Mortal Kombat X uneingeschränkt ans Herz legen.

Wertung: 9 Pixel

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