Lone Survivor (Blu-ray) im Test

von Stefan Hohenwarter 23.10.2014

Der einzige Heimkehrer der Mission Red Wings, die 2005 im Herzen Afghanistan stattfand, berichtete über seine Erlebnisse, die in Lone Survivor – angereichert mit einer ordentlichen Portion amerikanischen Pathos – erzählt werden. Was ich davon halte, erfahrt ihr in meinem Testbericht.

LoneSurvivorBlu-ray

Facts

  • Genre: Action/Racing
  • Vertrieb: Constantin Film
  • Regie: Scott Waugh
  • Release: 9. Oktober 2014

Top oder Flop?

„Polarisierender, aber authentischer und darstellerisch herausragender Film mit erstklassiger Bild- und Tonqualität“ (5/5 Sterne auf Amazon), „Vier Navy Seals 2005 in Afghanistan: wow, Action pur“ (5/5 Sterne auf Amazon) oder „Echt, hier wird Realität gezeigt?“ (1/5 Sterne auf Amazon): Diese Rezensionsüberschriften zeigen eindrucksvoll, was ZuseherInnen von Lone Survivor halten. Während der erste Erfahrungsbericht objektiv die Fakten beleuchtet und das Gesehene reflektiert, zeigt der zweite, dass man den Film weder als Antikriegsfilm noch als Heroisierung, sondern nur als reinen Actionfilm sehen kann. Die dritte Rezension hingegen bezeichnet den Film als „schwer zu ertragenden, amerikanischen Propagandafilm“.

Routinemission?

Wie eingangs erwähnt, entführt uns Lone Survivor in das Jahr 2005. Eine vierköpfige Navy-Seal-Spezialeinheit bricht nach Afghanistan auf, um den Aufenthaltsort eines führenden Taliban-Kämpfers in den Bergen der Provinz Kunar zu bestätigen. Doch die eigentliche Routinemission wird zum Desaster. Bei der Beobachtung des Zielgebiets werden die vier US-Soldaten von einheimischen Schafhirten entdeckt, und der Kommandant des US-Trupps steht vor einer moralischen Entscheidung: Sollen sie die Entdecker laufen lassen, fesseln und knebeln oder gar töten? Er entscheidet sich dafür, ihnen die Flucht zu ermöglichen. Das vierköpfige Team zieht sich daraufhin weiter Richtung Bergkamm zurück und entfernt sich damit vom Zielort, um über Funk Anweisungen vom Hauptquartier zu bekommen. Doch sie schaffen es selbst auf dem hoch gelegenen Terrain nicht, eine Verbindung herzustellen, und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Wird es den Soldaten gelingen, aus dieser Situation zu entkommen?

Realismus vs. Hollywood [SPOILER]

Den Soldaten bleibt am Bergkamm kaum Zeit, einen Plan zu schmieden, als sie schon von gefühlten Tausenden Taliban umzingelt werden. Es bleibt offen, wie die Feinde in so kurzer Zeit und vor allem in so großer Anzahl einen Belagerungskreis um die Seals schließen konnten. Auch wenn die Herren vom US-Militär moralisch handelten, indem sie die Schafhirten fliehen ließen und damit ihr eigenes Grab schaufelten, sind sie es, die den ersten Schuss auf die sie umzingelnden Feinde abfeuern. Anstatt jedoch mit jedem gefallenen Feind der Rettung aus der Hölle näherzukommen, wird die Situation immer schwieriger, und es passieren Fehler. Ab diesem Zeitpunkt gelingt die Gratwanderung zwischen Realismus und Heroisierung der Protagonisten nicht mehr: So sehen wir, dass die Soldaten selbst mit Schusswunden und unzähligen gebrochenen Knochen – rein durch den Willen zum Überleben und dem unerschütterlichen Zusammenhalt im Team – noch immer kämpfen können. Klar, Adrenalin und der Lebenswille können Berge versetzen, aber wenn Soldaten selbst mit abgetrennten Fingern und Schüssen im Kopf noch bei mehr oder weniger klarem Verstand sind, ist das meiner Meinung nach zu viel des Guten. Zudem sind auch die Feinde offenbar Übermenschen, denn sie bewegen sich schneller als die ausgebildeten Spezialsoldaten und spüren diese immer und überall auf. Vielleicht tue ich Marcus Luttrell, dem Überlebenden der Mission, Unrecht, und alles Gezeigte entspricht den Ereignissen, die er damals laut dem Film nur mit viel Glück überlebte; vielleicht ist aber auch einfach nur zu viel „Hollywood“ im Spiel.

Bild & Ton

Die Geschichte und gezeigten Szenen polarisieren, doch wenn es um Bild und Ton geht, gibt es nur ein Prädikat: erstklassig! Die Aufnahmen weisen eine Detailschärfe und Farbintensität auf, wie man sie wohl kaum zuvor in einem anderen Genrevertreter gesehen hat. Mit guten Schnitten und einem Blick für das Wesentliche wird man tief in die Geschichte gezogen. Zusammen mit der sehr guten Synchronisation und Soundkulisse lässt das Drumherum keine Wünsche offen. Dasselbe gilt für die Bonusrubrik (ca. 107 Minuten), in der ihr folgende Inhalte entdecken könnt:

  • Interview mit Cast und Crew
  • Featurettes:
    * Der Wille des Krieges
    * Die Geschichte hinter dem Film
    * Die Nachstellung der Feuergefechte
    * Die Grundausbildung
    * Die gefallenen Helden der Operation Red Wings
    * Der Lebenskodex der Paschtunen
    * Blick hinter die Kulissen
  • Kinotrailer

Zusammenfassung

Lone Survivor hat es in Europa definitiv nicht leicht. Daran ändert auch der Coveraufdruck „Nr. 1 US-Kinohit“ oder die Nominierung für zwei Oscars nichts. Die Schauspieler rund um Mark Wahlberg machen wirklich gute Arbeit, die Soundkulisse und das Bild lassen keine Wünsche offen, und die Extras-Rubrik ist prall gefüllt. Das Problem ist die – typisch amerikanische, möchte man sagen – Heroisierung der Protagonisten. Wie der Name vermuten lässt, überlebt nur ein Mitglied die Operation Red Wings, und auch wenn die Vereinten Nationen alles andere als unbesiegbar dargestellt werden, wird man den bitteren Geschmack des übertriebenen Pathos nicht los. Natürlich sollen die gefallenen Männer geehrt werden, aber das ist eben die Botschaft, die transportiert werden sollte: Krieg fordert Opfer, und es ist kein Erfolg, wenn nur ein Mitglied eines Teams von einem Einsatz zurückkehrt. Die Schmalzeinlage am Ende des Films, während der man Privatvideos und -fotos der gefallenen Soldaten sieht, bringt bei mir das Fass zum Überlaufen.

Es ist so eine Sache mit autobiografischen Berichten: Die Ereignisse könnten tatsächlich so passiert sein, sie könnten jedoch auch das Ergebnis einer verzerrten Erinnerung und effekthascherischen Nachbearbeitung sein. Man darf nicht vergessen, dass sich der Stoff auch verkaufen muss und eine Abstimmung auf das Zielpublikum für dieses Ziel ratsam ist. So wurde Lone Survivor, zumindest wirkt es so über weite Strecken des Films, mit einer ordentlichen Portion Hollywood’schen Pathos und Kriegspropaganda aufgepeppt. Kurz und knapp: Genrefans dürfen sich hier über einen wesentlich besseren Film als beispielsweise die Fortsetzung von Jarhead freuen, intelligentes, realistisches Kino sieht für mich jedoch anders aus.

Wertung: 6.5 Pixel

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