Kinokritik zu The Hateful Eight

von Max Hohenwarter 28.01.2016

Quentin Tarantinos achter Film, namentlich The Hateful Eight, ist seit heute in den österreichischen Kinos zu erleben. Ich habe mir die Roadshow Fassung in Ultra Panavision 70mm im Wiener Gartenbau Kino angesehen und verrate euch in meiner Kritik, ob der Western besser im Schneegestöber verschwunden wäre oder ihr ein paar Dollar mehr in die Hand nehmen sollt um euch das neueste Werk des Kultregisseurs anzusehen.

Kurzzusammenfassung:

Wyoming kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Der Kopfgeldjäger John „The Hangman” Ruth (Kurt Russel – Die Klapperschlange, Death Proof) kämpft sich in einer alten Postkutsche mit seiner Gefangenen Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh – eXistenZ) durch das unwirtliche Schneetreiben. Er ist mit ihr in Richtung Red Rock unterwegs, um dort die Belohnung für die Verbrecherin einzusacken. Auf diesem Weg treffen sie auf Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson – Pulp Fiction), seines Zeichens ehemaliger Nordstaaten Soldat und ebenfalls Kopfgeldjäger. Da sein Pferd dem Blizzard nicht standhalten konnte, handelt er sich einen Platz in der Kutsche aus. Der nächste Beifahrer lässt nicht lange auf sich warten, als die drei auf Chris Mannix (Walton Goggins – Django Unchained) treffen. Der konföderierte Deserteur ist ebenfalls auf dem Weg nach Red Rock, weil er – so gibt er es zumindest an – dort den Sheriff-Posten übernommen hat und weil Ruth es sich mit seinem Geldgeber nicht verscherzen möchte, nimmt er Mannix auch noch mit. Irgendwann wütet der Schneesturm so stark, dass sie beschließen in der Kutschenstation namens Minnie’s Miederwarenladen Rast zu machen. Dort angekommen treffen sie auf die vier weitere Figuren. Da wäre der Mexikaner Bob (Demiàn Bichir – Machete Kills), der in Minnies Abwesenheit das Geschäft am Laufen hält, der alte, ehemalige Konföderierten General Sandy Smithers (Bruce Fern – Django Unchained) der seine Knochen am Feuer wärmt, der Henker von Red Rock Oswaldo Mobray (Tim Roth – Reservoir Dogs, Pulp Fiction) und der unscheinbare Cowboy Joe Gage (Michael Madsen – Kill Bill, Reservoir Dogs). Die Stimmung ist angespannt und vor allem Ruth hat seine Zweifel, dass das Zusammentreffen dieser hasserfüllten Truppe aus Elenden und Hunden so rein zufällig zustandekommt. Wie recht er damit hat, seht ihr im Kino.

THE_HATEFUL_8_Hauptplakat

Filmplakat zu The Hateful Eight

Filmkritik zu The Hateful Eight:

The Hateful Eight ist wie bereits erwähnt, Tarantinos achter (neunter, wenn man die Zweiteilung von Kill Bill einberechnet) Film. Selbst wenn ich seine dialoglastigen Gewaltorgien über alles liebe und sie weithin gerechtfertigt als Kult verehrt werden, die unzählige Memes und denkwürdige Zitate hervorbrachten, muss ich ob Quentins Routiniertheit nun einmal ein bisschen kritischer an The Hateful Eight herantreten.

Eines vorweg: Für mich war Tarantino nie wirklich ein großartiger Filmemacher. Das hört sich seltsam an, habe ich doch vorher gerade meine Liebe zu seinen Werken kund getan?! Dies ist insofern trotzdem schlüssig, als dass für mich vor allem die Originalität einen großartigen Filmemacher ausmacht. Diese besitzt Quentin Tarantino faktisch nicht, denn was er macht, sind Hommagen. Tarantino ist selbst hingebungsvollster Cineast und liebt das Kino an sich. Er liebt alte Monumentalfilme, Kino-Technik und Formate, Präsentationsformen und alles, was mit diesem Medium zu tun hat. The Hateful Eight bildet da erneut keine Ausnahme und bezeugt diese Leidenschaft fürs Handwerkliche.

Das 70mm Format wählte er meiner Ansicht nach, um dem legendären Vermächtnis von Filmen wie Ben Hur und Die zehn Gebote gerecht zu werden und an diese monumentalen Epen zu erinnern. Das Ultra Panavision Breitbild Format von 2,76:1 würde vor allem für atemberaubende Landschaftsaufnahmen und Establishing Shots sorgen, doch die sind in The Hateful Eight, wenn überhaupt, äußerst rar gesät. Die meiste Zeit befindet sich die Kamera in Innenräumen, wie der Postkutsche und Minnie’s Miederwarenladen. Und selbst hier setzt er es nicht immer zielführend ein. Bestes Beispiel hierfür ist die Szene nach der eingeplanten Pause. Anstatt das extrem weite Bild dazu einzusetzen, eine wichtige Wendung im Handlungsverlauf unauffällig am Bildrand zu zeigen und so den/die aufmerksame/n ZuschauerIn selbst dieses Detail herausfinden zu lassen, lässt Tarantino sich dazu herab, nach der Pause einen Erzähler aus dem Off erklären zu lassen, was dem Publikum entgangen ist. Das ist für Tarantinos Verhältnisse relativ unelegant gelöst. Dieses spezielle Breitbildformat verkommt also irgendwie zum Selbstzweck. Ein weiterer Kritikpunkt am Schneewestern ist, dass Tarantino nicht nur Anspielungen auf seine geliebten Filmklassiker, wie beispielsweise Stage Coach, einbaut, sondern die Vermutung aufkommt, dass er sich in seinen Werken zunehmend selbst zitiert. Samuel L. Jacksons Plädoyer kurz vor dem Höhepunkt von The Hateful Eight lässt unweigerlich Erinnerungen an Jules Winnfields berühmte Ansprache in Pulp Fiction aufkommen, während die Figur des von Tim Roth gespielten Oswaldo Mobray wiederum mimisch, gestisch, in Sachen Ausdruck und sogar äußerlich frappant an Dr. King Schultz in Django Unchained angelehnt zu sein scheint.

Dennoch soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, ich wäre von The Hateful Eight nicht unterhalten worden. Das wurde ich sogar sehr, eben weil ich ein Fan von Tarantinos bisherigen Werken bin und ich viele Elemente daher zu schätzen weiß. Sei es, wie gesagt, die Inszenierung im Roadshow Format, die bereits mit einer tollen Ouvertüre des Hauptthemas von Ennio Morricone beginnt, die Tatsache, dass er sich wieder extrem viel Zeit beim Skulptieren seiner verschrobenen Figuren lässt und diese vor allem durch die gewohnt guten, (teils irr-)witzigen Dialoge formt oder das obligatorische Tarantino-esque Gore-Fest. The Hateful Eight vereint erneut alle Tugenden vom bisherigen Schaffen des Maestros und daher ist er erneut Pflichtprogramm für alle FreundInnen des Exzentrikers. Diesen empfehle ich vor allem auch, sich den Film im Wiener Gartenbau Kino anzusehen, da er dort österreichexklusiv im von Tarantino beabsichtigten, glorreichen 70mm Ultra Panavision Roadshow Format gezeigt wird.

Abschließend kann man sagen, dass The Hateful Eight sicher nicht Tarantinos bestes Werk (Anm.: das wäre für mich persönlich Pulp Fiction im Kopf-an-Kopf-Rennen mit Inglourious Basterds) ist und am ehesten an der zunehmenden Selbstgenügsamkeit des Hollywood Enfant-Terribles krankt. Ein schlechter Film ist der verschneite Western aber definitiv nicht. Er baut auf den gewohnten und lieb gewonnenen Tugenden Tarantinos auf, ist handwerklich extrem solide gefertigt und beweist erneut, wie sehr Tarantino dem alten Kino-Kult der 50er und 60er Jahre verfallen ist. Und wenn ich eines respektiere, dann sind das Menschen, die ihre Leidenschaft anderen näherbringen möchten.

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