Chivalry: Medieval Warfare (PC) im Test

von David Kolb-Zgaga 15.07.2014

Schon Mount & Blade und War of the Roses haben versucht, mit mittelalterlichen Schlachten aus der Ego- oder Third-Person-Ansicht die Massen zu begeistern. Beide Spiele waren jedoch zu komplex, zu wenig einsteigerfreundlich. Die Indie-Entwickler Torn Banner versuchen nun, mit ihrem actionlastigen First-Person-Slasher genau in diese Kerbe zu schlagen. Ob ihnen das gelungen ist, erfahrt ihr in meinem Test.

Mittelalterliches Genreduell

Vor allem War of the Roses versuchte mit akkuraten, historischen Schauplätzen und einer nahezu perfektionistischen, realistischen Waffensimulation zu punkten. Chivalry: Medieval Warfare setzt weniger auf punktgenaue Trefferzonen oder bis ins kleinste Detail ausgeklügelte Waffensets, es bietet vielmehr ein schnelles, direktes Kampfsystem, das dem Leitspruch „Leicht zu erlernen, schwer zu meistern“ folgt. Wenn man die beiden Spiele miteinander vergleicht, könnte man sagen, dass War of the Roses das Battlefield und Chivalry: Medieval Warfare das Call of Duty der Mittelalter-Slasher ist. Story gibt es übrigens in Chivalry: Medieval Warfare nicht, zu Beginn wählt man aus zwei verschiedenen Teams, den blauen Agatha-Rittern und dem roten Mason-Orden aus, die sich aber lediglich durch die Farbe ihrer Kleidung unterscheiden.

Die Schlacht beginnt

Trotzdem ist das Kampfsystem von Chivalry: Medieval Warfare alles andere als simpel. In einem nett gemachten Tutorial bekommt man die Mechaniken des Spiels erklärt und darf diese gleich an ein paar NPCs ausprobieren. Leider sind die deutschen Texte nicht immer Deutsch, oft findet man sich in einem Kauderwelsch aus Englisch und Deutsch wieder. Das nervt zwar ein bisschen, viel zu lesen gibt es aber ohnehin nicht, außer vielleicht zu Beginn bei den Klassen.

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Diese haben spürbar andere Fähigkeiten und spielen sich demnach auch ganz unterschiedlich. Mit einem Schild ausgerüstet, fällt das Blocken leicht, die Bewegung wird aber stark eingeschränkt. Mit einer Waffe kann man nur in einem gewissen Zeitrahmen (ca. eine Sekunde) blocken und muss dann kurz warten, um erneut blocken zu können. Dadurch hat der gepanzerte und durch sein Schild geschützte Ritter einen großen Vorteil. Das kann aber vom wendigen und flinken Waffenknecht problemlos wieder wettgemacht werden. Durch seine kurzen Beile oder Schwerter kann der Waffenknecht sehr schnell und oft zuschlagen, bevor der Gegner überhaupt reagieren kann. Der Pikenier hat die Waffen mit der größten Reichweite und muss damit versuchen, seine Feinde auf Abstand zu halten. Wenn das gelingt, ist der Pikenier beinahe nicht zu überwinden. Schließlich gibt es noch den Bogenschützen, der mit Distanzwaffen wie Bögen, Armbrüsten oder Speeren angreifen kann. Diese Klasse kommt in etwa dem mittelalterlichen Sniper gleich.

Ausgeklügeltes Kampfsystem

Egal, welche Klasse man wählt, es gibt drei Grundangriffe: einen Standard-, einen Stoß- und einen Hiebangriff von oben. Der Stoß bietet mehr Reichweite, aber weniger Schaden, der Hieb braucht länger, ist dafür aber in den meisten Fällen tödlich. Vom Standardangriff gibt es zusätzlich zwei Variationen, um besser die Deckung des Feindes umgehen zu können. Ähnlich wie z. B. bei Dark Souls gibt es einen Ausdauerbalken, der abnimmt, wenn man angreift oder erfolgreich blockt. Das Ausweichen oder der Sprintangriff strapaziert diesen ebenfalls ganz gehörig. Auch wenn Chivalry: Medieval Warfare einsteigerfreundlicher ist, gibt es also sehr viele Dinge zu beachten und zu lernen.

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Überlebenshandbuch

Wer in Chivalry: Medieval Warfare länger als zehn Sekunden überleben möchte, sollte sich folgende Grundregeln gut verinnerlichen:

  • Regel 1: Ist der Gegner in der Überzahl (z. B. zwei gegen einen), ist man so gut wie tot.
  • Regel 2: Ist der Ausdauerbalken leer, ist man so gut wie tot.
  • Regel 3: Hat man einmal falsch geblockt, ist man so gut wie tot. (Bösartigerweise können Feinde einen Schlag auch antäuschen und dann erst danach tödlich zuschlagen.)
  • Regel 4: Sieht man einen Bogenschützen aus gut 20 Metern Entfernung, lauf nicht einfach weiter, sonst … ich glaube ihr versteht, wozu das führen wird.
  • Regel 5: Der schlimmste Feind sind die eigenen MitspielerInnen. Durch das aktive Friendly Fire schaffen es die KollegInnen sehr oft, sich gegenseitig zu dezimieren. (Wer schafft es denn auch mit einer drei Meter langen Pike, nur den Feind zu treffen?)

Auch wenn man in den ersten paar Multiplayerrunden gewaltig eines übergebraten bekommt, macht das Spiel Spaß. Das Gameplay ist zwar schwierig, jedoch nicht so komplex, dass es aussichtslos wäre. Schon nach ein paar Versuchen tänzelt man den ersten Ritter aus und schafft die ersten Kills. Sowieso ist geschickte Beinarbeit das Mittel zum Ziel, denn niemand kann einen Hieb von der Seite oder von hinten blocken. Auch wenn die Lernkurve noch immer hoch ist, ist sie viel weniger steil als in War of the Roses, weshalb man mit Chivalry: Medieval Warfare schnell viel Spaß haben kann.

Zu den Waffen

Bis auf das Tutorial ist Chivalry: Medieval Warfare ein reines Multiplayer-Spiel. Dabei gibt es typische Modi, wie z. B. „Last Man Standing“, „Team-Deathmatch“ oder „King of the Hill“. Das Herzstück des Spiels sind aber die abwechslungsreichen Teammissionen. Dabei muss man versuchen, Sklaven zu befreien, Leuchtfeuer anzuzünden, einen Rammbock vor das gegnerische Burgtor zu schieben und dieses dann zu zerstören oder eine besonders große Festung mithilfe eines Belagerungsturms einzunehmen. Die andere Seite muss diese Missionen verhindern. Dabei entstehen spannende Scharmützel, bei denen es richtig zur Sache geht. Da fliegen Rauchbomben und Wurfmesser durch die Luft, und mit allen möglichen Hieb- und Stichwaffen wird drauflosgekämpft.

Blutiges Treiben

Wenn man z. B. mit einem Langschwert gegen den Hals des Gegners schlägt, kommt es zu sehr expliziten Situationen. Chivalry: Medieval Warfare ist ein sehr blutiges, aber für das Setting wohl treffendes und realistisches Spiel, bei dem Gliedmaßen und Köpfe abgetrennt werden können. Teilweise sind Mitstreiter des blauen Teams schon so blutüberströmt, dass man diese nur schwer von den gegnerischen roten Feinden unterscheiden kann. So ist es meinen KollegInnen und mir schon passiert, aus Versehen die eigenen Leute abgeschlachtet zu haben. Trotzdem sind die Charaktermodelle detailliert und schön anzusehen, wenn man denn die Zeit dazu findet. Auch die Umgebungen können sich sehen lassen, denn es gibt so manche Festung in Chivalry: Medieval Warfare zu bestaunen. Hin und wieder schleichen sich ein paar matschige Texturen ein – man hat aber ohnehin, wie schon gesagt, sehr wenig Zeit, diese zu begutachten.

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Der Soundtrack des Spiels ist zwar nicht bombastisch, schafft es aber, die mittelalterlichen Kämpfe akkurat darzustellen. Die Sprecher sprechen leider nur auf Englisch, viel mitzuteilen haben sie aber ohnehin nicht. Das Wichtigste ist ohnehin sprachlich universal: der Kriegsschrei, der immer wieder für Atmosphäre sorgt und mit einem Tastendruck jederzeit ausführbar ist.

Verstecktes Spielprinzip

Man bekommt in Chivalry: Medieval Warfare zwar keine riesigen oder gar berittenen Schlachten, die kleineren und größeren Scharmützel sorgen aber allemal für Spannung, und die Teammissionen tragen ihren Teil zur Abwechslung bei. Das Einzige, was wirklich störend ist, ist, dass Torn Banner mit jeglichem Feedback geizt. Spielt man eine Partie „Team-Deathmatch“, hat jedes Team 80 Tickets. Diese werden aber am Bildschirm nicht angezeigt, nur durch das Halten einer Taste kann man sich die Spielstatistik anzeigen lassen, die dann in winzig kleiner Schrift verrät, wie viel Tickets das eigene und das gegnerische Team noch haben.

Noch versteckter ist aber das Levelsystem. Man sieht keinen Stufenfortschritt, man erkennt nicht einmal, wann man einen Stufenaufstieg hat. Auch die Waffen können aufgelevelt werden, um eine noch größere Menge davon freizuschalten, und auch hier wird kein Fortschritt – oder wie man überhaupt etwas freischalten kann – aufgezeigt. Das ist sehr, sehr störend, da dies essenzielle Informationen sind. Stattdessen muss man sich durch Foren quälen, um dann zu erfahren, dass man auch nur bei gerankten Servern die eingeheimsten Punkte wirklich erhält.

Fazit

Trotz dieses Mankos ist Chivalry: Medieval Warfare mit den direkten und actionlastigen Kämpfen sehr unterhaltsam. Jedes Match spielt sich flott, was auch daran liegt, dass der Weg zur Front meist angenehm kurz ausfällt. Die verschiedenen Schlagvarianten mit ihren verschiedenen Vor- und Nachteilen lohnen sich, und die vorgegebenen Klassen spielen sich spürbar unterschiedlich. Das fehlende Feedback kann, besonders zu Beginn, sehr anstrengend werden und die Langzeitmotivation dämpfen.

Gerade für SpielerInnen, die sich nicht stundenlang mit einem komplexen Spielprinzip auseinandersetzen wollen, ist Chivalry: Medieval Warfare aber sehr zu empfehlen. Mir hat der Titel schon viele spannende Stunden beschert, weshalb ich jetzt auch wieder weiter muss: Die Agatha-Ritter erschlagen sich ja schließlich nicht von allein – na ja, zum Teil schon!

Wertung: 8 Pixel

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