Virtuell vs Retro – Wer braucht eigentlich den SNES Mini?

von postbrawler 19.04.2017

„Liebe ist das Einzige, was für uns spürbar ist und die Dimension von Zeit und Raum überwindet.“ Dieses Zitat stammt aus dem Film Interstellar. Anne Hathaways Figur erklärt darin die metaphysische Natur der höchsten Kraft im Universum. Was für Liebe gilt, das kann man meines Erachtens so auch auf Nostalgie anwenden. Die wohlige Erinnerung an längst vergangene Erlebnisse, Gerüche oder Dinge lässt sich, wie die Liebe, nicht rational erklären. Und doch empfinden wir sowas wie Liebe, wenn wir uns an die Konsolen und Spiele unserer Kindheit zurückerinnern. Dieses Gefühl soll der SNES Mini zurück bringen.

SNES Mini

Retro kommt nie aus der Mode

Das weiß auch Nintendo, und vermarktet derzeit sehr erfolgreich das Gefühl unserer frühesten Kindheit, verpackt in authentische Retro-Konsolen. Der Zeit seines Daseins stets vergriffene NES mini, soll nun von einem SNES mini beerbt werden. Wie sein Vorgänger handelt es sich dabei um eine kleinere Variante der beliebten 16 Bit Heimkonsole von Nintendo, inklusive deren ikonischer Controller.

Unfair und unergonomisch

Wer den NES mini testen konnte, wird wohl festgestellt haben, dass er seinen SpielerInnen sehr viel Geduld und Toleranz abverlangt. Nach dem zweiten Level in Double Dragon ist die Nostalgie rasch verpufft, und genervter Resignation gewichen. Resignation vor augenkrebserregender Grafik, flackernden Sprites und schwammiger Steuerung. Unfaires Gameplay gepaart mit einer durch Abwesenheit glänzende Speicherfunktion. Über diese Alterserscheinungen können nicht einmal die liebevoll nachempfundene graue Plastikbox, viel zu kurze Kabel und die unergoniomischen Controller mit nur zwei Tasten hinweg täuschen.

Die rosarote Brille

Nostalgie funktioniert, wie auch die Liebe, nur durch die rosarote Brille. Wenn der Ehrgeiz mich dazu zwingt, allen Komforteinbußen zum Trotz noch einmal Super Mario Bros. durchzuspielen, dann doch wenigstens mit möglichst geringen Einstiegshürden. Ich denke da an eine virtuelle Konsole, in der ich schnell und unverbindlich aus einer gigantischen Bibliothek an Retro-Titeln wählen kann. Dazu muss ich keine extra Box aufstellen, und keinen HDMI-Port am Fernseher frei räumen. Außerdem ist die Auswahl an Spielen nicht auf einige vorinstallierte Titel beschränkt.

Das gab’s doch schon mal!

Doch halt, sowas gibt’s doch schon! Eine virtuelle Konsole gab’s bereits auf dem Super Nintendo, der über eine spezielle Cartridge Game-Boy Spiele abspielen konnte. Warum fristen diese Lösungen ein Nischendasein, während sich Retro-Remakes alter Konsolen offensichtlich größter Beliebtheit erfreuen? Weil sie leider noch nutzerunfreundlicher sind, als ihre physischen Pendants.

Die virtuelle Revolution

Bis vor kurzem waren digitale Kopien alter Spiele an das jeweilige Trägersystem gebunden. Einmal gelöscht, konnte man sich den erworbenen Titel kein zweites Mal, geschweige denn auf einer neueren Konsole herunterladen. Das hat Nintendo mit der Switch geändert, und digitale Käufe Account-gebunden gemacht. Wachsenden Retro Spiele-Sammlungen, ähnlich der eigenen Steam Bibliothek, steht also nichts mehr im Weg. Wenn Nintendo noch den Mut aufbringt größere Bundles zu vernünftigen Preisen anzubieten, kann ich mir keinen Grund vorstellen, warum eine physische Retro-Konsole einer Virtuellen noch vorzuziehen wäre.

Wer braucht den SNES Mini?

Wenn’s nach Nintendo geht, soll die virtuelle Revolution bereits diesen Herbst beginnen. Dann geht nämlich der Online-Service der Switch in Betrieb. Jede AbonnentIn dieses Services soll monatlich Zugang zu zwei virtuellen Konsolentiteln erhalten, die anschließend auch kostengünstig erworben werden können. Ob Spiele-Bundles und Rabatt-Aktionen folgen werden, hängt wohl auch stark vom Erfolg der neuen Nintendo Konsole ab. Vermeintliche 2,6 Millionen verkaufte Stück und ein merkliches Umdenken bei Nintendo sind aber gute Anzeichen für einen florierenden Retro Spiele Shop. Und wer, bitteschön braucht dann noch einen SNES Mini?

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Mari

“augenkrebserregender Grafik, flackernden Sprites und schwammiger Steuerung. Unfaires Gameplay gepaart mit einer durch Abwesenheit glänzende Speicherfunktion” – Hier muss ich wiedersprechen: Das NES Mini behält zwar die 8bit-Optik des Originals bei, behebt jedoch Krankheiten des Originals wie die “flackernden Sprites” Die Steuerung vieler Spiele des NES waren um einiges genauer als viele Spiele heute (vgl. z.B. Super Mario Bros mit Rain World) und auch eine Speicherfunktion wurde dem NES Mini hinzugefügt. Ich möchte gar nicht die “Shortcomings”, wie das zu kurze Kabel, schönreden. Beim NES Mini gibt es so manche Dinge die nerven, aber Leute werden es eben so lange… Read more »

Stefan Hohenwarter

Ich bin froh, dass ein SNES mini kommen soll, und zwar nicht nur weil für mich als JRPG-Fan der SNES die bislang beste Konsole von Nintendo war. Für mich verhält es sich mit Spielen gleich wie bei Fotos: Wenn man sie im Regal sieht, nehme ich sie eher zur Hand, als wenn sie irgendwo auf einer Festplatte abgespeichert sind. Dazu kommt für mich das Preisargument. Kosten doch Digitalversionen von Spielen, die ich nicht verkaufen oder verleihen kann (und ich im Worst-case verliere, wenn die Online-Bibliothek dicht macht) fast gleich viel und im Falle von Nintendo in der Vergangenheit sogar mehr… Read more »