Open-World-Koks: Der Ghost Recon Wildlands-Test

von Max Hohenwarter 10.03.2017

Mein Ghost Recon Wildlands Test lässt sogar mich als redaktionsintern verschrienen Ubisoft-Fanboy langsam am Innovationsvermögen des französischen Software-Kartells zweifeln. Ist das Game dennoch ganz guter „Stoff“ oder bin ich durch meine Open-World-Sucht schon komplett benebelt? Das verrät euch mein Review!

Peckerl-gesichtiger Moses auf Koks!

Mutter der Mann mit dem Koks ist da, sang der selige Falco seinerzeit. Die Chance, dass er damit den Chef des Santa Blanca Kartells, El Sueno, gemeint hat, tendiert gegen Null. Macht aber auch nix. Mir gings ja nur um die Einleitung. Wie dem auch sei. besagter Herr folgt schon seit frühester Kindheit dem Wunsch, König zu werden. Mittlerweile hat er es vom einfachen Sicario, also Soldaten, zum Boss aller Bosse des Kartells gebracht.

Vermutlich hat er als solcher aber auch den selben Fehler wie Tony „Scarface“ Montana begangen und zuviel von seiner eigenen weißen Ware genascht. Der religiöse Spinner mit der Peckerl-Fresse betrachtet sich nämlich als eine Art Drogen Moses, der seine Organisation ins „Tierra Prometida“, das gelobte Land Bolivien geführt hat, wo er ungestört seinen Geschäften nachgehen kann.

Mit der Ruhe im Drogen-Business ist das aber so eine Sache. Seit Richard Nixon in den 60ern zum War on Drugs aufgerufen hat und amerikanische Spezialkräfte den lateinamerikanischen Behörden beim Ausräuchern von Koka-Plantagen und Ähnlichem kräftig unter die Arme greifen, haben es die Drogenlords mit der Schneeproduktion nicht mehr so leicht. Da El Sueno aber auch noch einen Undercoveragenten bestialisch foltern und ermorden ließ, ist jetzt Schicht im Schacht und die Geisterstunde bricht über Bolivien herein.

Die Ghosts sind eine jener Tom Clancy Einheiten, die es offiziell gar nicht gibt. Präzise wie ein Skalpell soll ich während meines Ghost Recon Wildlands Test nun mit meinem vierer Team den Tumor namens El Sueno mitsamt seinen Santa Blanca-Metastasen aus Bolivien herausschneiden.

Ghost Recon Wildlands verlässt sich storytechnisch auf Drogen-Klischees und entsprechende Charakter-Abziehbilder und kann mit der wenig durchdachten Geschichte nicht gerade punkten.

Now, I am become Ghost, the destroyer of drug cartels

Erste Station in meinem Ghost Recon Wildlands Test ist der absolut umfangreiche Charakter-Editor: Mein Ghost ist weiblich, hat zum mittelamerikanischen Setting einigermaßen passende Sugar Skull Facepint und ist auch ansonsten mit allem möglich militärisch taktischen Schmonz ausgestattet. Abgesehen von den wenigen vorgefertigten Gesichtern, könnt ihr euch eure/n Traum-Elite-SoldatIn basteln und mit Ghillie Suits, Westen Camo-Pants und einem gefühlt ganzen Army-Shop an Zubehör ausstaffieren.

Quelle: Ubisoft

Auch der Gun Smith Mode, der sein Debüt in Future Soldier feierte ist zurück. Waffen-Freaks freuen sich so über ein detailliertes Explosionsdiagramm aller Knarren im Spiel. Spielerisch zwar unnötig, aber auch irgendwie wieder cool!

Früher war alles taktischer!

Im darauffolgenden Intro werdet ihr in einer Nacht und Nebelaktion ins Bergland Boliviens geflogen und ab dann gehts auch gleich zur Sache: Der erste Sicario wird verhört und unfreiwillig verrät er uns den Ort, wo der Rebellenanführer festgehalten wird. Damit komme ich auch schon zum ersten Problem in meinem Ghost Recon Wildlands Test. Das Spiel nimmt mich in diesem Tutorial etwas wenig an die Hand. Bis auf das Scouting mittels Drohne oder Fernglas und den Synchronschuss erklärt mir das Spiel relativ wenig über das strategische Vorgehen.

Quelle: Ubisoft

Dafür gibt mir das Spiel gleich einmal einen Pick Up, mit dem ich durchs Bolivianische Hinterland brettere. Die Fahrphysik ist dabei ein weiteres Manko. Der Fuhrpark ist zwar echt groß und muss sich vor einem GTA V nicht wirklich verstecken.Allerdings steuert sich so ziemlich jedes Gefährt sehr schwammig.

Quelle: Ubisoft

Im weiteren Spielverlauf wiederholen sich diese Suchen und Zerstören Missionen immer einmal wieder. Gelegentlich halte ich während meines Ghost Recon Wildlands Test auch mal einen Punkt in der Vetreidigerrolle, aber im Großen und Ganzen ist das Spielerlebnis Ubi-Open.World-typisch auf lange Sicht immer das Gleiche. Kennst du zwei oder drei Missionen, kennst du quasi alle.

Quelle: Ubisoft

Die Marke Ghost Recon stand bis Advanced Warfighter für anspruchsvolle und taktische Feuergefechte, wo auch mal kurzfristig umdisponiert wurde. Seit Future Soldier geht dieser planerische Ansatz aber mehr und mehr flöten und spätestens in meinem Ghost Recon Wildlands Test darf ich monieren, dass dieses Verhältnis immer weiter in Richtung Action kippt. Klar: rudimentär gibt es sie noch, die Taktik. Die vollkommene Freiheit von wo ich zu welcher Tageszeit wie einen Einsatz angehe, ist gegeben, aber am Ende fühlt sich doch immer alles wie Actionorgie nach Schema F an.

Quelle: Ubisoft

Das Awesomeness-Level der Sturmangriffe steigt schon noch, wenn ihr mit gut eingespielten Kumpels durchchorreografiert einen Kartellsunterschlupf auseinandernehmt, aber der Taktiklevel früherer Teile wird trotzdem nicht erreicht, Schade.

Anstattdessen gibt’s Ubi-typisch in der Open World Waffenteile und neue kosmetische Items für euren Charakter und die angehängte Waffenkammer zu entdecken, Konvois auszuschalten und Ressourcen, die für das in Ghost Recon Wildlands integrierte RPG-System benötigt werden zu sichern. Nach und nach arbeitet ihr euch in den vier “Geschäftszweigen” des Kartells von den kleinen Fischen zum Deadliest Catch“, also El Sueno vor.

„Open-World-Ubi-drüssigkeit“?

Ein Ubisoft Action-Game braucht in 90% der Fälle was? Natürlich: Eine Open-World. Als Spielplatz dient mir beim Ghost Recon Wildlands Test Bolivien, das von den FranzösInnen natürlich nur aufgrund der landschaftlichen Schönheit und der Kultur ausgewählt wurde. Auf gar keinen Fall aber wegen seinem von Korruption zerfressenen Regierungsapparat, der den Drogenkartellen ordentlich die Arbeit erleichtert.

Quelle: Ubisoft

Trotz aller „Open-World-Ubi-drüssigkeit“ – ist das nicht ein wundervolles Kofferwort aus Ubisoft und Überdrüssigkeit? – ist Bolivien mit seinen unterschiedlichsten Regionen schon verdammt schön gestaltet. Große Städte sucht ihr zwar vergebens, aber andererseits würde das auch nicht ins Setting passen. Auf große Bauwerke müsst ihr aber nicht verzichten: Von Kirchen über Raffinerien und einen riesigen Staudamm bis hin zu Inka-Ruinen glänzt Wildlands mit – nunja, nennen wir es – diversen architektonischen Stilen und Konstrukten. Obendrein gibts topografische Abwechslung deluxe und groß ist sie wirklich. Um mit dem Heli vom einen ans andere Ende der Karte zu kommen, vergehen schon mal ca. acht bis zehn Minuten.

Ghost Recon Wildlands Test

Quelle: Ubisoft

Dabei überfliegt ihr dichte Dschungel und Wälder und Berge, an denen sich Schlammstraßen hochmäandern. Wer hätts gedacht? Die Gipfel der höchsten Berge sind sogar schneebedeckt hochmäandern und nein: diese Koks-Metapher werde ich in meinem Ghost Recon Wildlands Test sicher nochmal bemühen. Wie dem auch sei: sogar die gefühlt 250. Open-World made in France ist wieder ziemlich schön und wären da nicht die RPGs, die uns in den Kartell-Hochburgen um die Ohren fliegen, würde man gerne innehalten und die Sonnenauf- und -untergänge einfach nur einsaugen. Aber die Schönheit hat ihren Preis, denn gelegentlich friert die Zeit ein und das Game muss die gigantische Welt erst einmal nachladen

Das Fazit zum Ghost Recon Wildlands Test:

Alle die sich nur ansatzweise mit der Welt der Videospiele beschäftigt, kreiden Ubisoft ihre Formelhaftigkeit an. Die Franzosen kippen mittlerweile fast jede IP in eine Open-World und strecken es mit repetitivem Gameplay sowie Collectibles. Was am Ende dabei rauskommt, ist für mich Videogame-gewordenes Suchtgift.

Irgendwie kickt das Ghost Recon-Pulver aber, denn die Welt ist riesig und schön, wenngleich sie gelegentlich ein paar technische Macken aufweist. Aber wenn du erst mal der Ubi-Droge verfallen bist, konsumierst du vermutlich jedes Derivat , solange es nur irgendwie die Sucht befriedigt. Die rabiaten Raids, die ich mit einigen Kumpels auf die Beine stelle, sind alles andere als perfekt durchexerzierte Einsätze von Spezialkräften. Trotzdem macht es irgendwie glücklich und man kommt sich „awesome“ vor. So fühle ich mich aber meist auch beim Zocken von Far Cry, Assassin’s Creed und The Division.

Taktik-FreundInnen hingegen, die an Ghost Recon Advanced Warfighter ihre schiere Freude hatten, werden beim neuesten Open-World-Streich aus Frankreich eher die Nase rümpfen.

Wo wir grade bei Nase sind: ich gönn mir jetzt noch eine „Line“ [insert Ubi-Open-World-Game]! NEIN! Ich habe KEIN OPEN-WORLD-PROBLEM! Ach komm! Nur noch ein Collectible! Wirklich … Danach hör ich auf, versprochen!

Wertung: 7.9 Pixel

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