devcom 2017: Kreative und kognitive Illusion

von Michael Neidhart 20.08.2017

Kreative und kognitive Illusion sind zwei Begriffe, die unsere Spielerfahrung erheblich beeinflussen. Sowohl inhaltlich als auch auf finanzieller Ebene. Gleich der erste Tag auf der devcom 2017 in Köln hatte damit zwei absolute Highlights für mich parat. Tim Browne von KING Games hielt einen spannenden Vortrag zum Thema Kreativität und der CEO von Imperia Online gab sprachlos machende Einblicke in die Welt des Geldverdienens.

Kreative Illusion

Als erstes überraschte mich der Vortrag zu „Identifying Creativity“ von Tim Browne, der für die Entwicklerschmiede KING arbeitet. Das war mehr ein Test als ein Vortrag, mit dem er versuchte, uns ZuhörerInnen frische Ideen zu spendieren. Wie zu erwarten, ging es darum, “outside the box” zu denken, wobei Browne selbst diesen Begriff nicht allzu gerne verwendet.

Illusion

Kleine Tests bewirken bereits, dass das kreative Potenzial, das zweifellos in jedem/r von uns steckt, hervorzulocken und zu aktivieren. Einer dieser Tests nennt sich Guilford’s Alternative Uses Task. Was kann ich mit einem Alltagsgegenstand alles anstellen, für das er nicht geschaffen ist? Wir haben das anhand eines Ziegels durchgespielt und es ist erstaunlich, wie viele Varianten dabei herauskommen. Er eignet sich offensichtlich nicht bloß, um einen Aufstand anzustacheln, sondern auch als Hut.

Illusion

Browne widerspricht der klassischen Idee mit der linken und rechten Hirnhälfte bzw. meint er, dass es keinen Unterschied für den kreativen Prozess macht. Jeder hat einen anderen Zugang zu einer Aufgabe und dieser Zugang ist es, der darüber entscheidet, ob ein Problem kreativ oder durchschnittlich gelöst wird.

Kognitive Illusion

Am meisten überraschte mich aber Cvetan Rusimov von Imperia Online. Auch dieser Vortrag hatte viel mit Kreativität zu tun. Allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Rusimov erklärte, der zwischendurch laut auflachenden Zuhörerschaft, wie seine Firma es schafft, den Usern mit ein paar sehr, sehr einfachen Tricks das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Tricks sind wirklich so simpel, dass es fast schon schmerzt.

Illusion

Aufbauend auf Studien des Psychologen Dan Ariely, der eine Theorie zur „Logik der Unvernunft“ aufgestellt hat, gestaltete Imperia Online seinen In-Game-Store. Und sie sind sicher nicht die einzigen. Im Grunde geht es darum, die Menschen glauben zu lassen, sie wären schlauer wie die Firma, die ihnen etwas verkaufen will. Rusimov erklärte das sehr einleuchtend anhand folgenden Beispiels:

Eine Zeitung gibt potenziellen Kunden drei Angebote:

  • Angebot 1 – Reiner Webzugang für 59$
  • Angebot 2 – Nur die Printausgabe für 125$
  • Angebot 3 – Print + Online für 125$

Potenzielle Kunden haben damit einen Vergleich und bekommen für 125$ gleich beides: Print und Online. Sie glauben also, ein gutes Angebot vor sich zu haben und greifen automatisch zum teureren Abo. Angebot 2 lenkt ab, es macht doch keinen Sinn, gleich viel zu bezahlen und weniger zu bekommen. Mit einer Vergleichsstudie, bei der Angebot 2 einmal dabei und einmal nicht dabei war, hat Ariely herausgefunden, dass die Zeitung dadurch erheblich mehr Umsatz machte. Gab es Angebot 2 nämlich nicht, griffen deutlich mehr Menschen zur billigsten Variante.

Illusion

Wenn ich daran denke, wie leicht ich manchmal auf optische Illusionen hereinfalle, scheint das sehr logisch. Der Sehsinn ist für unser Alltagsleben der wichtigste. Ständig müssen Reize verarbeitet werden. Es sollte also schwer sein, hier überrascht zu werden und dennoch passiert es. Über ein neues Zeitungsabo, oder einen In-Game Kauf entscheide ich selten. Keine Frage, dass es hier leicht fällt, einen zu überrumpeln.

Was hilft gegen die Illusion?

Wer lesen kann ist klar im Vorteil und im Zweifelsfall hilft mehrmals lesen. Ist das Angebot wirklich gut? Brauche ich das überhaupt? Ich glaube das Allerwichtigste ist es, immer ein Faktum im Hinterkopf zu haben: Es wird einem nichts, überhaupt nichts geschenkt. Denkt einfach an einen Casino-Besuch. Auch wenn ich ein paar Stunden Spaß und eine schöne Zeit habe, am Ende gewinnt immer die Bank.